Überwachte Schulen : Außer Kontrolle
Big director ist watching you – Orwells Vision des Überwachungsstaats breitet sich nun auch auf manchem Schulhof aus. Doch wer die Frage nach der Videoausspähung von Schulen nur ideologisch diskutiert, verkürzt das Problem. Die Tabuisierung der Kamerakontrolle ist dabei genauso wenig hilfreich wie das Hochjubeln der Überwachung als Lösung des Gewaltproblems.
Kommentarvon Marco Carini
Wo sich Schüler vor ihren Mitschülern fürchten müssen, können Kameras das letzte – nie aber das vorrangige – Mittel sein, Täter abzuschrecken und Straftaten aufzuklären. Kinder haben ein Recht auf angstfreie Räume und auf Schutz vor Übergriffen. Allerdings verweist ein Klima der Gewalt auf manchen, längst nicht allen Schulhöfen, auf das katastrophale Versagen pädagogischer Intervention. Wo immer mehr Pädagogen und Erzieher eingespart und Hilfestellungen für problembeladene Familien zurückgestutzt werden, können Videoaufzeichnungen allenfalls sichtbar machen, was vorher versäumt wurde.
Kameras ja – aber nur im Ausnahmefall und unter strengen Kriterien. Hier hakt es. Fast überall entscheiden die Schulen selbst und ohne fachliche Kontrolle, ob sie ihre Schutzbefohlenen beobachten lassen. Das führt zu einem Überwachungswildwuchs, über den Kultusministerien und Bildungsbehörden längst keinen Überblick mehr haben. Die Frage lautet: Wer überwacht die Überwacher?