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Archiv-Artikel

„Die wollen Dutschke wegballern“

taz-Jahresrückblick 2006: Straßenkampf, Kartoffelaffäre und Genossenschaftswachstum

15. Februar: Die CDU im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will mit einem Bürgerbegehren verhindern, dass das Bezirksamt die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umbenennt – und beginnt eine Unterschriftenaktion. Die taz startet eine Gegenaktion – und fängt an, ebenfalls Unterschriften zu sammeln: für die Dutschke-Straße.

18. März: Die taz erscheint mit einem erweiterten Angebot für die LeserInnen in Norddeutschland. Auf vier Seiten täglich nimmt die neu gegründete Nordredaktion das Geschehen in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Westmecklenburg in den Blick. Getragen wird diese Blattreform durch eine tiefgreifende Veränderung: Die bisherige Nord-Redaktion zieht von Bremen nach Hamburg um.

8. April: Die Axel Springer AG zieht gegen die Dutschke-Straße vor Gericht. Eine Interessengemeinschaft von Anwohnern, darunter Springer, hat eine Klage gegen die Umbenennung der Kochstraße in Dutschke-Straße beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht. „Es ist erschütternd, dass Springer immer noch versucht, Rudi Dutschke einfach wegzuballern“, sagt Peter Unfried, stellvertretender taz-Chefredakteur.

17. April: 40 Verlegerinnen und Verleger machen die Sonderausgabe zum taz-Geburtstag – ganz in der Tradition von Schriftsteller-taz, 18-Jährigen-taz, Migranten-taz, Karikaturen-taz, Ost-taz und Feindes-taz zum 25. Geburtstag. Es erscheinen Beiträge u. a. von: Tim Parks, Jan Philipp Reemtsma, Uri Avnery, Kai Hafez, Michael Naumann, Matthias Politycki, Hans-Ulrich Wehler und Arnold Stadler. Mit 15.810 Exemplaren ist die Verleger-taz die bestverkaufte Kioskausgabe des Jahres.

26. April: Das taz-Journal „Es ist Liebe“ erscheint als „Vorbereitung“ auf die Fußball-WM in Deutschland. Mit der CD „Inter Deutschland“, auf der unter anderen Erdmöbel, Denyo und Peter Licht neue Deutschlandhymnen singen. Das taz-Journal wird mit dem „European Newspaper Award“ ausgezeichnet.

15. Mai: Die taz hat den Straßenkampf um die Rudi-Dutschke-Straße gewonnen: 5.450 Unterschriften für die Umbenennung der Kochstraße in Berlin hat die taz mittlerweile gesammelt und damit jene Marke erreicht, die die CDU für ihr Bürgerbegehren braucht.

9. Juni–10. Juli: Die taz erscheint zur Fußball-WM in Deutschland mit einer täglichen achtseitigen WM-taz.

26. Juni: Die taz veröffentlichte eine Satire von Peter Köhler auf der Wahrheit-Seite über die Kaczyński-Brüder unter dem Titel „Polens neue Kartoffel“. Prompt ließ Staatschef Kaczyński einen Gipfel des Weimarer Dreiecks mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac platzen, angeblich wegen „gesundheitlicher Unpässlichkeit“. Das polnische Präsidialamt vergleicht die taz mit dem Nazi-Propagandablatt Der Stürmer, Warschau verlangt eine offizielle Entschuldigung von Berlin – die aber unter Hinweis auf die Pressefreiheit ausblieb.

28. August: Der von der Axel Springer AG vorläufig verbotene taz-Kinospot „Kiosk I + II“ erhält in Berlin den renommierten Preis First Steps Award 2006. Die Jury über den Spot von Jens Junker und Philipp Haucke von der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film: „Drei exzellent gecastete Schauspieler stehen für das Klischee, das sich der Leser der taz von den Bild-Lesern am Kiosk macht. Das originalgetreue Setting spiegelt diese Stimmung ebenso wider wie die Wahl der Einstellungen und die Führung der Schauspieler. So gelingt es auf überzeugende Art und Weise, den Kampf ‚David gegen Goliath‘ zu visualisieren und den journalistischen Anspruch der taz klar von einem ‚beschränkten Horizont‘ abzugrenzen. Und das ist o.k. so.“

12. September: Der „Atlas der Globalisierung“ von Le Monde diplomatique erscheint in einer Auflage von 80.000 Exemplaren und ist schon nach drei Monaten ausverkauft.

16. September: Im Rahmen der Genossenschaftsversammlung in Berlin wird zum zweiten Mal der taz-Panter-Preis für Helden des Alltags verliehen. Gewinner: Sabine Ball, die sich mit ihrem Verein „Stoffwechsel“ um Kinder und Jugendliche in Dresden kümmert; Barbara Cybard, die gegen großen Widerstand den ersten Schlecker-Betriebsrat in ihrem Bezirk Südbaden gegründet hat; Benny Adrion, der sich mit seinem Verein „Viva con agua“ für sauberes Wasser auf Kuba engagiert.

14. November: Die taz präsentiert die Aktion „Wir stoppen den Klimawandel“. Schauspieler wie „Tatort“-Kommissar Peter Sodann oder Musiker wie Wolfgang Niedecken boykottieren die vier großen Energiekonzerne und sind auf Ökostrom umgestiegen.

15. November: Das Bezirksamt gibt den Termin für den Bürgerentscheid über die Rudi-Dutschke-Straße bekannt: 21. Januar 2007. Auf den Wahlzetteln in den 86 Wahllokalen des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg wird stehen: „Das Bezirksamt wird aufgefordert, die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße zurückzunehmen.“ Jeder, der für die Dutschke-Straße ist, muss also „Nein“ ankreuzen. (www.dutschkestrasse.de)

18. November: Hilge Haase aus Glückstadt wird 7.000. Mitglied der taz-Genossenschaft.

30. November: Das „Forum Zukunftsökonomie“, das von der taz mitgegründet wurde, vergibt erstmals den „Preis der Arbeit“ : an die südbadischen Elektrizitätswerke Schönau (Leserpreis) und die fränkische Faber-Castell AG (Jurypreis). Der „Preis der Arbeit“ zeichnet Betriebe aus, deren unternehmerische Entscheidungen wirtschaftliche, soziale, ökologische, emanzipatorische und demokratische Kriterien erfüllen.

23. Dezember: Für die taz-Genossenschaft ist 2006 das beste Jahr seit 2000. 632.000 Euro an neuem Kapital zahlen 585 neue GenossInnen und 201 Anteilsaufstocker ein. Damit steigt die Zahl der Genossinnen und Genossen auf 7.206 mit einem Gesamtkapital von 7,2 Millionen Euro.