: Großmaul der Liebe
Der Größte aller Zeiten macht sich Gedanken über die Liebe. Muhammad Ali und sein Leben in Spruchweisheiten
Er mag sich, nein, er liebt sich. Muhammad Ali hat – assistiert von Tochter Hana Yasmeen Ali (oder war es umgekehrt?) – ein Buch über die Liebe geschrieben. Es geht um die Liebe zu Gott und um die zu den Mitmenschen. Vor allem aber geht es um die Liebe zum Größten, zu Ali selbst. Natürlich ist auch vom Boxen die Rede. Ein Sportbuch im eigentlichen Sinne hat Ali dennoch nicht geschrieben. Vor allem aber ist es ein Werk voller Ratschläge. „Die Welt wäre ein viel besserer Ort“, schreibt Ali, „wenn jeder hier auf Erden versuchen würde, seinen Mitmenschen so zu lieben, wie man mich liebt.“
Muhammad Ali, der vielerorts als bester Boxer aller Zeiten verehrte Ex-Champion, hat seine Gedanken zum Leben formuliert. Ali, das Großmaul, der seine Gegner vor den Kämpfen mit üblen Sprüchen traktiert hat, präsentiert sich als weiser Mann „Mit dem Herzen eines Schmetterlings“, so der Titel seiner gesammelten Lebensweisheiten. Er ist zum leisen Großmaul der Liebe geworden.
Schon früh, als Kind noch, will er gespürt haben, dass Gott etwas besonderes mit ihm vorhatte. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellte er sich bald nicht mehr: „Ich hatte das Gefühl, dass ich aus einem besonderen Grund auf der Welt war.“ Er schreibt, dass er sich früh vorgenommen habe, ein Vorbild zu werden, ein schwarzes Vorbild. Denn die habe es bis zu seinem Aufstieg zum Superstar nicht gegeben. „Es gab keine Helden, die aussahen wie wir.“ Ali wuchs in den 50er-Jahren in Louisville (Kentucky) auf, in den Zeiten der Rassentrennung. Der kleine Ali fragte sich, ob denn Schwarze auch in den Himmel kämen, und gab sich zur Antwort: „Wenn die weißen Engel in den Himmel kommen, dann bereiten die schwarzen Engel in der Küche Milch und Honig für sie vor.“
Geschichten dieser Art erzählt Ali viele. Sie sorgen dafür, dass sein Buch mehr ist als eine Ansammlung von schwülstigen Aphorismen der Liebe zwischen den Menschen dieser Erde und zu ihm. Es ist ein Dokument des Ringens um Anerkennung, der Reise eines schwarzen Jungens vom Rand der Gesellschaft auf den Gipfel des Ruhms. Es ist der Rückblick eines Rebellen, der vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus eingeladen wurde und sich doch nicht hat vereinnahmen lassen.
Ali wurde Mitglied der „Nation of Islam“. Dafür muss er sich noch heute rechtfertigen. Elijah Mohammed, ein wortgewaltiger Prediger der Organisation, bezeichnete die Weißen als Teufel. Muhammad Ali war einer seiner Anhänger. Heute weist der Konvertit zum Islam, der drei Jahre lang nicht kämpfen durfte, weil er aus religiösen Gründen den Dienst an der Waffen verweigerte, weit von sich, dass er je gehasst hat. „Ich war nur stolz darauf, der zu sein, der ich war“, schreibt er. Der Moslem Ali ist ruhiger geworden. Heute folgt er „den Hauptströmungen des sunnitischen Islam“.
Und er kommt ganz sanft daher. Als Moslem gibt er in Zeiten des Krieges den guten Amerikaner. Er reist nach Afghanistan und freut sich, dass Präsident Hamid Karsai ihn bittet, er möge doch für immer bleiben. Er trifft sich mit dem Dalai Lama – auf Augenhöhe. Eines der Gedichte im Buch, in denen Alis Weisheiten nicht gerade lyrisch, aber immerhin in Reimform aufbereitet werden, beginnt mit den Worten: „Neben dem großen Mann dort steht ein anderer.“
Ja, er fühlt sich immer noch groß. Lange Zeit fiel es ihm schwer, seine Krankheit – Ali leidet am Parkinson-Syndrom – zu akzeptieren. Er schreibt, dass er auch diesen Kampf für sich entschieden hat. Denn: „Ich sehe immer noch gut aus.“
ANDREAS RÜTTENAUER
Muhammad Ali: „Mit dem Herzen eines Schmetterlings“. Bastei Lübbe 2006, 302 Seiten, 8,95 €