: „Die Eisdiele steht mir immer offen“
Sie ist 24. Sie moderiert Internet-TV. Und 2007 auch im normalen Fernsehen. Wow! Aber vielleicht wird Katrin Bauerfeind auch Friseurin. Denn: „Festlegung ist heute Luxus“
INTERVIEW DAVID DENK
taz: Frau Bauerfeind, sind Sie die Marietta Slomka einer neuen Zeit?
Katrin Bauerfeind: Nein. Solche Vergleiche ehren mich zwar sehr, ändern aber nichts daran, dass ich mein Ding mache, so wie ich es für richtig halte. Ich kann aber verstehen, dass die Leute immer einen Vergleich brauchen, um das Neue in das Bekannte einordnen zu können. Und wenn das Harald Schmidt ist – oder Marietta Slomka –, will ich mich nicht beklagen. Zu sagen, „Ehrensenf“ ist wie Harald Schmidt im Internet, ist für viele sicherlich Anreiz, mal reinzuschauen.
Sind Vergleiche für ein innovatives Format wie „Ehrensenf“ wirklich nicht ärgerlich?
Ich glaube, dass wir als Internetfernsehsendung immer mehr eigenständig wahrgenommen werden. Das braucht allerdings Zeit.
Wie würden Sie das Konzept beschreiben – ohne Vergleiche?
Als Internetfernsehen. Ein bisschen Satire, ein bisschen Comedy. Als Moderatorin präsentiere ich lustige, skurrile oder dubiose Internetfundstücke.
Wie sind Sie zu dem Job gekommen?
Die Produzenten und Autoren von „Ehrensenf“, Carola Sayer und Rainer Bender, haben per Anzeige eine Moderatorin gesucht, und ich habe mich beworben. Ich bin im Internet darüber gestolpert, als ich mich eigentlich gerade um ein Praxissemester in Argentinien kümmern wollte.
Was wissen Sie über die Entstehung der „Ehrensenf“-Idee?
Leider wenig, weil ich erst später dazugekommen bin. Ich glaube aber, der Grundgedanke war, Leuten, die sich nicht so gut auskennen, das Internet zu erklären und Highlights rauszupicken. Das Internet ist ein Massenmedium – warum also nicht auch darüber Nachrichten bringen?
Die satirische Form vermittelt den Eindruck, dass es gar nicht um die vorgestellten Websites an sich geht, sondern um eine Reflexion des Mediums.
Das ist eine Mischung aus beidem. Nur lustige Websites wären auf die Dauer langweilig. Deswegen haben wir ja in jeder Sendung einen roten Faden, eine Meldung, der sich alle anderen Meldungen und auch die vorgestellten Gadgets und Websites unterordnen. Vieles davon kann man nicht einfach so stehenlassen, sondern muss es kommentieren. Das macht den Reiz aus.
Dass diese Kommentare nicht von Ihnen stammen, macht Ihnen nichts aus?
Ich finde die Sendung gut und stimmig, wie sie ist. Und denke mir: Schuster, bleib bei deinem Leisten. Denn lustig zu schreiben ist eine hohe Kunst, die ich lieber Profis überlasse. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich „Ehrensenf“ nur präsentiere. Weil ich mich natürlich gegebenenfalls auch redaktionell einmische. Ich bin mit meinen Einfluss zufrieden.
Braucht die Welt „Ehrensenf“?
Warum nicht? Wir sind zwar nicht die „Tagesschau“ oder „Frontal 21“, aber trotzdem ein intelligent gemachtes Format. Wir machen ja keinen Bürgerfunk. Meine beiden Produzenten kommen vom Fernsehen und wissen, was sie tun. Der professionelle Anspruch ist sehr hoch.
Versucht „Ehrensenf“ sich so von vielen furchtbar überflüssigen Web2.0-Auswüchsen abzugrenzen?
Warum so negativ? Wenn ein Rosenzüchter jeden Tag seine Rosen fürs Web filmt, gibt es bestimmt irgendwo Leute, die es superspannend finden, den Rosen beim Gedeihen zuzugucken.
Das Internet als uferlose Zeitvernichtungsmaschine …
Sicher. Man kann sich darin gut verlieren. Irgendwas findet man im Internet ja immer. Oder man findet’s nicht. Und es dauert deswegen noch länger. Gestern habe ich zum Beispiel entdeckt, dass man im Internet auch frische Kräuter bestellen kann. Hätte ich mir eigentlich denken können, hat mich aber trotzdem überrascht.
Wie würden Sie Ihr eigenes Internetnutzungsverhalten beschreiben?
Ich bin auf keinen Fall eine Heavy Userin. Auch wenn ich durch „Ehrensenf“ jetzt mehr surfe, nutze ich das Internet vor allem als Informationsquelle. Meine Startseite ist Spiegel Online.
Und Ihre Lieblingswebsite?
Das ist wie mit Lieblingsliedern. Die kommen und gehen. Ich lasse mich da schnell begeistern – auch von den Links in der Sendung.
Könnten Sie sich ein Leben ohne Internet vorstellen?
Schwer. Mir ist neulich der Computer verreckt, und ich hatte D-R-E-I Wochen kein Internet. Ich bin fast wahnsinnig geworden. Da ist mir erst mal aufgefallen, wie abhängig man davon ist …
… besonders als Journalist.
Ich frage mich, wie die damals recherchiert haben. Wie hoch die Telefonkosten gewesen sein müssen. Oder wie man Ansprechpartner gefunden hat. Heute fragt man Google.
Nicht nur „Ehrensenf“ ist sehr erfolgreich, auch Sie machen Karriere, obwohl Sie noch studieren – ein Spagat?
Ja. Manchmal frage ich mich, ob ich nebenher arbeite oder nebenher studiere.
Es gibt viel zu tun: Nächstes Jahr moderieren Sie bei 3sat das „Berlinale-Journal“. Aufgeregt?
Ich habe schon Muffensausen, sage mir aber immer wieder, dass ich eh nur versuchen kann, ich selbst zu sein und meine Persönlichkeit einzubringen. In welchem Rahmen das beim „Berlinale-Journal“ möglich sein wird, weiß ich allerdings noch nicht.
Wissen Sie, ob sich die 3sat-Katrin von der „Ehrensenf“-Katrin unterscheiden wird?
Ich denke, schon – allein schon weil ich beim „Berlinale-Journal“ meine Moderationen selber schreiben werde.
Was erhoffen Sie sich von diesem Engagement?
Dass es gut wird. Ich freue mich auf die Berlinale. Und nicht zuletzt ist es eine große Chance – damit meine ich jetzt nicht, direkt irgendwo unterzukommen, sondern professionelles Fernsehen mal auszuprobieren.
Wo wollen Sie hin?
Ich weiß nicht, ob man sich heutzutage noch den Luxus leisten kann, sich festzulegen. Unsere Professoren raten uns: Entfalten Sie sich so breit wie möglich, um so viele Chancen wie möglich zu haben. Wir lernen: Wenn du einen Beitrag machst, dann mach ihn gleich für Fernsehen, Radio und Printmedien. Ich bin 24 und noch nicht mal mit dem Studium fertig. Ich weiß, dass manche Leute von mir erwarten, schon jetzt zu wissen, wohin die Reise genau gehen soll – ich erwarte das nicht. Man muss flexibel sein. Das möchte ich auch. Wenn ich Fernsehen kategorisch ausschließen würde, hätte ich mich um das 3sat-Angebot gebracht.
Und thematische Vorlieben?
Es gibt ganz viele Dinge, die mich interessieren – anders als bei vielen Kommilitonen, die sich nur für Computer interessieren und deswegen unbedingt zur c’t wollen. Ich bin leider nicht der Typ für nur ein Spezialgebiet.
Sie wollen in wenigen Wochen Ihre Diplomarbeit abgeben. Wenn die Angebote nicht von selbst kämen, wären Sie gerade ziemlich aufgeschmissen, oder?
Auf jeden Fall. Vor „Ehrensenf“ hätte ich gesagt: Ich will zum Fernsehen oder Radio, Genaueres hätte ich aber nicht gewusst. Ich kann nur sagen, was ich nicht kann: Politik. Das sollen andere machen. Wissenschaft auch nicht, höchstens Technik. Klar müsste ich dann noch mal anders überlegen. Besser kann’s echt nicht laufen.
Was ist Ihr Plan B?
Frisörin werden oder in einer Eisdiele arbeiten.
Warum?
Kopfkraulen wäre ein Kontrastprogramm zum Zeitdruck und Stress beim Fernsehen. Oder wenn es nur Vanille, Schoko, Erdbeer und Stracciatella gibt – wie einfach wäre das Leben?!
Wirklich?
Warum nicht? Es ist doch beruhigend, zu wissen, dass die Eisdiele mir immer offen steht.
Vorerst machen Sie aber noch ein bisschen weiter mit „Ehrensenf“?
Ich plane zumindest noch kein Ende, glaube aber, dass es wirklich wichtig ist, „Ehrensenf“ nur so lange zu machen, wie ich Spaß daran habe. Der Zuschauer merkt sofort, wenn man da nur noch sitzt, weil man da jeden Tag sitzt. Aber zum Glück bekommen wir ja über unsere Website ein sehr direktes Feedback.
Heiratsanträge sollen Sie auf diesem Wege auch schon bekommen haben.
Ja, aber das ist schon eine Weile her. Ich glaube, das war auch nicht ganz ernst gemeint.