leserinnenbriefe
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Karriereknick dank Kinder

■ betr.: „Divergierende Familienbilder“, taz vom 18. 1. 11

Bevor Manuela Heim darüber sinniert, ob es weniger Betreuungsangebote für U3 (unter Dreijährige) im Westen geben mag, weil diese aufgrund eines veralteten Familienverständnisses nicht ausreichend nachgefragt würden, könnte sie sich einmal die Mühe machen und bei den Kitas in einer Stadt in NRW, zum Beispiel in Bonn, nach der Länge der Wartelisten fragen.

Und warum bleiben die Mütter zu Hause und nicht die Väter? Da sind wir wieder beim Equal Pay Day. Denn schon ohne Ausfallzeiten durch Kinder verdienen die meisten Frauen weniger als ihre Männer. Vom Doppelverdiener zu einem Gehalt – wer kümmert sich da wohl ums Kind? Für viele eine simple Rechenaufgabe. Und Teilzeit? Geht nur, wenn es die Arbeitgeber (beide) mitmachen, eine Menge Organisation und Karriereeinschnitte (weiter kommt nur, wer voll arbeitet) in Kauf genommen werden.

Die Betreuung von unter Dreijährigen institutionell hinzukriegen ist ebenfalls eine Menge Arbeit. Das geht nicht, indem mehr Plätze geschaffen werden durch Herabsetzen des Betreuungsschlüssels (Erzieher/innen pro Kinder). Auch das ist ein seitenfüllendes Thema in NRW: Das Kinderbildungsgesetz KiBitz. Und ebenso entsetzlich wie die Betreuungssituation ist die Arbeitswelt. Mein Vertrag nach der Geburt des ersten Kindes war befristet. Begründung hinter vorgehaltener Hand: Ich könnte ja wieder schwanger werden. Das wurde ich auch. Der Job war damit weg. Sich dann mit zwei Kindern auf dem Arbeitsmarkt zu bewerben führte bei mir zu lustigen Vorstellungsgesprächen. „Und das letzte Jahr haben Sie sich dann eine Auszeit genommen?“, fragte mich der Geschäftsführer einer Non-Profit-Organisation, die sich gern rühmt, Kindern zu helfen. Ich konnte mir einen kleinen Vortrag zu Kinderpflege und -betreuung nicht verkneifen, und vermutlich sah er mir an, dass ich ihm am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre. Den Job habe ich nicht bekommen. Mein Mann wurde in Bewerbungsgesprächen nie gefragt, ob denn die Betreuung der Kinder geregelt sei. Aber als er seine Arbeitszeit reduzierte, um mich dabei zu unterstützen, wieder zu arbeiten, bedeutete dies auch für ihn einen Karriereknick.

In den Diskussionen werden immer gern die arbeitenden gegen die nicht arbeitenden Frauen mit Kindern ausgespielt. Unterstützt werden Familien in unserer Gesellschaft einfach zu wenig. Wünschenswert wäre, wenn Frauen und Männer tatsächlich selbst entscheiden könnten, wie viel sie arbeiten und wie viel sie sich um die Familie kümmern. CLAUDIA KLEIN-HITPASS, Bonn

Titel ist einfach falsch

■ betr.: „So viele Asylbewerber wie noch nie“, taz vom 18. 1. 11

Leider erinnert mich dieser kleine Artikel – v. a. seine Überschrift – ungut an die Presseberichterstattung der 90er Jahre, in der etwa der Spiegel reißerisch titelte: „Das Boot ist voll“. Aber über die Frage latenter Konnotationen ließe sich noch streiten; sachlich ist der obige Titel einfach falsch. Die heutige Zahl der Asylanträge – Erst- und Folgeanträge zusammengerechnet – beträgt nicht mehr als ein Drittel der Anträge aus dem Jahre 1995; und noch im Jahre 2004 gab es mehr Asylanträge zu vermelden. MARIO ZEHE, Leipzig

Arme Würstchen eingespannt

■ betr.: „ ‚Deutsche Taliban‘ drohen“, taz vom 18. 1. 11

Nun, schon zur Zeit der Kreuzzüge waren viele Menschen aus vielerlei Antrieb unterwegs in etwa diese Regionen, um abzuschlachten und/oder abgeschlachtet zu werden. Nur kamen Nachrichten darüber damals recht spät nach Europa, und Bilder mussten erst gemalt werden. Auch hatte damals wohl kaum einer der Reisenden die Illusion, mal schnell wieder zurückzukönnen, wenn denn doch nicht alles so abenteuerlich wird. In jedem Falle waren dies damals schon Machtspiele der Machthalter/Könige, und viele arme Würstchen ließen sich einspannen.

Ohne das jetzt lächerlich machen zu wollen, 20 Ausreisende ins pakistanische Grenzgebiet, mit deutschem Pass, bei ca. 81 Millionen Einwohnern in Deutschland, mit geschätzten 4 Millionen Mitgliedern in islamischen Gemeinden, davon vermutlich 750.000 mit deutschem Pass, äh, na ja. Gibt eine Menge mehr Leute, die ausreisen wegen Bedarf nach Gewaltexzessen, Pädophilie, Sextourismus, Waffenverkäufen, welterschütternden Finanztransaktionen, Export atomarer (und sonstiger Vernichtungs-)Technik…

HENDRIK FLÖTING, Berlin

Augen auf Menschenrechte

■ betr.: „Diktator weg, Diktatur bröckelt“, taz vom 17. 1. 11

Nun seien Europas Mächtige endlich aufgewacht, heißt es. Europas Mächtige, wie wir wissen, haben immer und jederzeit ein sehr waches Auge auf Menschenrechte. Sie werden bei jeder Gelegenheit und überall angemahnt. Was sich einmal mehr deutlich zeigt: Die Anmahnung von Menschenrechten, die Verurteilung anderer Staaten und Regierungen in diesen Fragen orientiert sich nicht zuerst an den Menschenrechtsverletzungen, sondern vielmehr nach politischen und wirtschaftlichen Interessen und danach, wie mehr oder weniger missliebig der Staat den Mächtigen Europas ist.

Menschenrechte werden zu oft als politisches Instrument benutzt. Wir erleben es fortwährend samt der ganzen Heuchelei darum. Wir hören „Autobauer setzen auf China“. Was stören die Menschenrechte, die so oft angemahnt werden und selbst mit untergraben werden? Menschenrechte sind nach wie vor von Herrschaftsinteressen überlagert und bestimmt. ROLAND WINKLER, Remseck