: „Manchmal hört man die Konflikte“
COACHING Bei Problemen zwischen Musikern in Orchestern leidet die Leistung, sagt Angelika Kutz
■ 40, ist Rechtsanwältin, Mediatorin und Kulturmanagerin in Hannover. Sie spielt Geige. Foto: CORINNA Perrevoort
taz: Frau Kutz, Sie coachen Orchestermusiker in Konfliktsituationen. Dabei wirken die doch meist recht harmonisch. Was sind dort die Probleme?
Angelika Kutz: Zwischenmenschliche Konflikte sind bei Profimusikern genauso vielfältig wie in jedem anderen Bereich, in dem ich vermittle. Aber selbst ganz allgemein menschliche Probleme verschärfen sich im Rahmen eines Berufsorchesters. Das liegt zum einen an dem besonderen Wesen vieler Musiker: diszipliniert und mit einem wahnsinnigen Anspruch an sich selbst, dabei hochgradig selbstkritisch und sensibel. Externe Einflüsse tun ein Weiteres.
Was sorgt denn im Orchestergraben für Spannung?
Einer der Stressfaktoren ist die Lärmbelastung. Gerade neuere Musik wird oft mit sehr großer Besetzung gespielt. Hinzu kommt die ständige Bewertung durch Publikum und Kollegen. Und im Orchestergraben wird es zudem verdammt eng. Dann noch der Termindruck, der Perfektionismus ...
Merken Sie das der Musik an, wenn es Probleme gibt?
Sehen kann man das auf jeden Fall – und manchmal sogar hören. Natürlich leidet die Leistung. In einem Orchester, wo alles harmoniert, atmen die Spieler sogar zusammen. Die Organisationsstruktur des Orchesters ist zudem so, dass es sich auf ein System von bis zu 100 Personen niederschlagen kann, selbst wenn es nur zwischen zwei Personen knatscht. Da geht es sehr hierarchisch zu.
Es gibt ja viele Klischees: die geltungssüchtige Erste Geige, der Kontrabass als Einzelgänger. Sind bestimmte Musiker prädestiniert für Konflikte?
Ich sage immer, das Instrument wählt den Spieler. In den 70ern hat man eine Studie gemacht, die bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit der Wahl des Instruments in Verbindung bringt. Ganz typisch sind zum Beispiel Konflikte zwischen Streichern und Bläsern – aber auch zwischen Holz- und Blechbläsern kann es Probleme geben.
Was machen Sie, wenn ein Musiker sich nicht helfen lässt?
Die Streitbeteiligten müssen natürlich eine Lösung herbeiführen wollen. Schwierig wird es daher, wenn die Teilnehmer keine Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen. Dies wird aber schon ganz zu Beginn der Mediation abgeklärt. Es ist wichtig, dass die Konfliktparteien anerkennen, dass sie am Ende die Lösung selbst verhandeln, und dass nicht XYZ schon vorher als Ergebnis feststeht. Diese Ergebnisoffenheit ist mit das Wichtigste.
Besteht Ihre Rolle dann eher in der Moderation, oder darin, den Streitgegenstand zu schlichten oder zu lösen?
Mediation ist strukturierte Verhandlungsunterstützung. Ich als Mediatorin treffe gerade keine Entscheidung. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen Mediation und anderen Verfahren. Mediation ist auch mehr als reine Moderation, weil Ziel der Mediation eine konkrete Problem-Lösung ist. Mediation bietet durch ihre klare Struktur den Raum dafür, Probleme und auch Lösungsmöglichkeiten in einem vertrauensvollen, kontrollierten und wertfreien Umfeld zu artikulieren. INTERVIEW: ARO