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Archiv-Artikel

Prozess nach Feuertod in Dessauer Polizeizelle

Anklage gegen Polizisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Afrikaner war in Polizeizelle verbrannt

DRESDEN taz ■ Zwei Jahre nach dem Feuertod des afrikanischen Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle muss sich ein Polizeibeamter vor Gericht verantworten. Das Landgericht ließ gestern die Anklage gegen den 46-jährigen Dienstgruppenleiter zur Hauptverhandlung zu. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn der Körperverletzung mit Todesfolge. Bei korrektem Verhalten der Beamten hätte Jalloh nach ihrer Auffassung gerettet werden können.

Der Prozessbeginn steht noch nicht fest, soll aber in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden. Ob auch gegen einen zweiten beteiligten Beamten das Hauptverfahren eröffnet wird, steht indessen noch nicht fest. Das Dessauer Landgericht hatte im November zunächst die Einstellung des Verfahrens beschlossen, weil angeblich kein hinreichender Tatverdacht gegeben sei. Dagegen protestierten Menschenrechtsgruppen und die Linksfraktion im Magdeburger Landtag. Die Staatsanwaltschaft Dessau legte sofortige Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden worden ist.

Man sei vom Verdacht einer Mitschuld des zweiten Beamten nach wie vor überzeugt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern der taz. Es habe inzwischen weitere Nachermittlungen gegeben. Neben unterlassener Hilfeleistung wirft die Staatsanwaltschaft den Polizisten auch mangelhafte Durchsuchung Jallohs vor, der sein Feuerzeug offenbar bei sich behalten konnte. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war am Morgen des 7. Januar 2005 in eine Ausnüchterungszelle des Polizeireviers eingeliefert worden, weil er angeblich im angetrunkenen Zustand Frauen belästigt haben soll. Die Umstände seines Todes am gleichen Tag sind bis heute nicht genau geklärt.

Nach Polizeidarstellung soll Oury Jallow in der gefliesten Zelle auf einer Pritsche liegend trotz Fesselung seine eigentlich feuerbeständige Matratze selbst entzündet haben. Wegen früherer Fehlalarme ignorierten die Beamten zunächst den Alarm des Feuermelders. Erst nach Ansprechen des Lüftungsschalters suchten sie den im Keller liegenden Raum auf. Rettungsversuche scheiterten an der dichten Rauchentwicklung. Ein späteres Gutachten stellte bei Jalloh unter anderem ein gebrochenes Nasenbein fest, das auf physische Gewalteinwirkung schließen lässt. Der Dienstgruppenleiter war zwei Jahre zuvor bereits einmal in einen Todesfall auf einem Polizeirevier verwickelt. Nach dem Tode Oury Jallohs wurde er zunächst versetzt.

MICHAEL BARTSCH