Anwältin der Migranten

Die 28-jährige Filiz Polat aus Bramsche könnte die jüngste Chefin eines grünen Landesverbands werden. Die Arbeit wird schwer: Im Wahlkampfjahr bangen viele Abgeordnete um ihre Listenplätze

von KAI SCHÖNEBERG

„Auch ein Christian Wulff hat mal als Vorsitzender der Schülerunion angefangen“, sagt ein Grüner, wenn man ihn auf die bislang einzige Anwärterin für das Amt der Co-Vorsitzenden der niedersächsischen Landespartei anspricht. Ministerpräsidentin will Filiz Polat aus Bramsche nicht gleich werden. Dennoch wäre die 28-Jährige, die auf dem Landesparteitag in Stade in gut drei Wochen antritt, die bundesweit jüngste Chefin einer grünen Landespartei – und Nachfolgerin von Susanne Leifheit, die das Amt nach nur gut einem Jahr abgibt.

„Ich komme mir gar nicht mehr jung vor: Ich bin doch schon seit 15 Jahren aktiv in der Partei“, sagt Polat. Zur Zeit bastelt sie an ihrem Bewerbungsschreiben. Kommende Woche ist die offizielle Frist zu Ende. Aber: Selbst auf dem Parteitag sind noch Bewerbungen möglich.

Da mit Rita Schilling und Leifheit zwei Vorständlerinnen ausscheiden, wartet der männliche Co-Vorsitzende Raimund Nowak – der um der Kontinuität willen weiter machen will – derzeit auf weitere Bewerbungen für Stade. Bislang hat nur Elke Twesten aus dem Kreisverband Rothenburg angekündigt, als stellvertretende Vorsitzende zu kandidieren.

Ihre Diplom-Arbeit als Volkswirtin schrieb Polat über Beschäftigungseffekte des technologischen Wandels, in den vergangenen drei Jahren als Landtagsabgeordnete hat sie sich vor allem für Flüchtlinge eingesetzt – und dabei im voll besetzten Landtag auch schon eine Träne vergossen, um die Abschiebungspolitik der Landesregierung zu geißeln.

Auch wenn es bei einigen Partei-Granden Vorbehalte gegen den Youngster gibt: Polat, die seit 2005 im Partei-Vorstand sitzt, würde nicht nur den Generationswechsel bei den Grünen verkörpern. Sie stünde auch für einen Personenkreis, um den sich die Partei stärker kümmern will: „Die politische Partizipation von Migranten ist noch viel zu gering“, sagt die Bewerberin, die ganz gut türkisch spricht. Ihr Vater kommt aus dem Osten Anatoliens. Neben Chancengleichheit will sie sich auch um die Rekrutierung von ausländischen Mitgliedern kümmern. Zur Zeit gibt es in Niedersachsen ungefähr 4.800 grüne Parteibücher. Im laufenden Wahlkampfjahr soll die 5.000-Marke übersprungen werden.

Der Weg zur Landtagswahl, die genau ein Jahr nach dem Parteitag stattfinden wird, dürfte für einige der derzeit 14 Grünen-Fraktionäre steinig werden. Nicht nur, dass der Landtag insgesamt von derzeit 183 auf 135 Abgeordnete schrumpft. Auch die Regeln für die Aufstellung der Landesliste, die im Juli fertig sein soll, haben sich geändert. Anstatt des alten Rotationsprinzips, also dem fast zwangsläufigem Ausscheiden nach zwei Legislaturperioden, gilt nun, dass auf jedem dritten Listenplatz ein Neuling platziert werden muss. Wenn das Ergebnis der Wahl von 2003 erreicht würde – damals erreichten die Ökopaxen 7,6 Prozent – kämen nur knapp elf Grüne in den Landtag.