: Olivensammeln als Freizeitglück
TRAMUNTANA Mallorquinische Erntehelfer kommen aus Amerika und Nordeuropa und arbeiten fürs Naturerlebnis
■ Working Weekends on Organic Farms nannte eine englische Sekretärin noch 1971 ihre Idee, am Wochende raus aufs Land zu pilgern, um auf einem Biohof mitzuhelfen. Inzwischen in World Wide Opportunities on Organic Farms umgetauft, vermittelt die Organisation in hundert Ländern. Wer sich für Jobs in Spanien und auf den Balearen interessiert, wird für 20 Euro Mitglied bei der spanischen Gruppe www.wwoof.es
■ Konditionen: Als Mitglied kann man zwölf Monate lang Adressen aus dem Internet abrufen und sich persönlich mit den Höfen in Verbindung setzen. Interessierte müssen mindestens 18 Jahre alt sein und fünf bis sechs Stunden täglich für die Gastfamilie arbeiten wollen. In der Regel werden ein bis zwei freie Tage pro Woche gewährt.
■ Olivenernte: In den Bergen Mallorcas werden bis in den Februar hinein Oliven geerntet. Aufgrund der kalten Winterwinde aus dem Norden und Westen wird es in den Bergen kühl, maximal 8 Grad. Auch regnet es häufig, wenn auch nur von kurzer Dauer. Februar ist der kälteste Monat auf der Insel.
VON PETRA JACOB
Hoch oben in den Bergen im Nordosten Mallorcas ist im Winter Hochsaison – dann, wenn die Oliven reif sind. Auf Pedruxella Gran, der Finca von Liz und Bos Barrat-Brown, ist in dieser Zeit jede zusätzliche Arbeitskraft willkommen. Diesmal sind die Pärchen Tanya und Jason aus Kanada und Lisa und John aus den Vereinigten Staaten angereist, mithilfe der Organisation WWOOF (World Wide Opportunities on Organic Farms), bei der Menschen Mitglied werden, die im Urlaub am liebsten auf dem Land arbeiten.
Früher waren es arme Tagelöhner vom Flachland, die in die Berge gestiefelt kamen. Inzwischen verdingen sich die Einheimischen ihr Geld lieber in den Hotels und Fabriken. Die Erntehelfer des 21. Jahrhunderts kommen aus Amerika und Nordeuropa und arbeiten für das Natur- und Gemeinschaftserlebnis, bei freier Kost und Logis.
Auf dem 350 Hektar großen Landbesitz Pedruxella krallen sich fünftausend uralt aussehender Olivenbäume mit ihren langen Wurzeln an die Felsen. Dazwischen wachsen Zwergpalmen und Aloen, abertausende Natursteine, die ohne Mörtel, zu gleichmäßigen Mauern aufgeschichtet, ziehen sich als endloses Band in tausend Schleifen über den Hang hoch.
Wie viel menschliche Anstrengung in diesen Terrassen steckt, lässt sich erst ermessen, wer von der Hauptstraße im Tal auf den Haarnadelkurven die drei Kilometer zu Fuß hochgewandert kam. Einst ließ sich auf Mallorca gut Geld mit Olivenöl verdienen – es wurde zum Hauptexportartikel –, und so sind damals selbst in den unwirtlichsten Lagen wie diesen Olivengärten angelegt worden.
Aufgrund des schwierigen Terrains haben sich die Erntetechniken auch nach fünfhundert Jahren, als der Großteil der Olivenhaine in der Serra de Tramuntana entstand, nicht verändert. „Bei 5 Euro Mindestlohn wäre das Bergöl, das wir hier produzieren, unbezahlbar“, kommentiert Liz die Situation, „ohne WWOOFer kein Öl“, lobt sie ihre Helfer und Helferinnen. Die haben, geschützt mit Wollmützen, Militärhosen und Waldarbeiterhandschuhen, Netze unter die Bäume gerollt und schlagen mit hölzernen Knüppeln und Stangen die Ölfrüchte von den Ästen. Anschließend setzt sich die Truppe in das Erntegut und säubert die Früchte von Blättern und Ästchen.
Die Arbeit: eine Kombination von „Dampf ablassen“ und Plauderpausen. Die Stimmung ist gut an den Hängen der „Berge des Nordwinds“, wie die Serra de Tramuntana übersetzt heißt. Es wird viel gelacht und gesungen. Begleitet vom Glockengebimmel von etwa zweihundert Schafen, die, ebenfalls zum Hof gehörig, über die Felder schweifen und ihren Kot als wertvollen Dünger unter den Olivenbäumen hinterlassen.
„Umweltschutz in Aktion“, das freut Tanya. Sie und ihr Partner Jason arbeiten in einem kanadischen Nationalpark und wollen auch im Urlaub mit der Natur verbunden bleiben, und sie möchten ihren ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich halten. „We love hard work and we love to sweat“, begrüßen die beiden kräftig gebauten Mittdreißiger jede Schweißperle, die sich auf ihrer Stirn bildet.
Lisa und John, eine Dekade jünger, sind hier, weil sie es lieben, in den Bergen herumzukraxeln. Am freien Wochenende waren sie den 800 Meter hohen Puig de Gironella hochgestiegen, der sich gleich hinter den Olivengärten erhebt, flankiert von vom Wind zerklüfteten Kalksteinkuppen, und hatten von dort oben einen sensationellen Ausblick auf das Mittelmeer. Außerdem essen sie gerne gut. Seit fünf Monaten „wwoofen“ sie durch Mitteleuropa und wollen Menschen helfen, die gute Lebensmittel anbauen und genießen. „Wir möchten die Länder und seine Menschen auch über unseren Bauch kennenlernen“, sagen sie.
Finca Pedruxella ist dafür eine Fundgrube. Denn bereits die Kinder von Liz und Bos sind Genießer. Die achtjährige Alica würzt sich ihre Gemüsesuppe grundsätzlich nur mit dem teuren Es-Trenc-Salz, einem Meersalz, handgeerntet von einer deutschen Salzbäuerin unten an der Südküste. Die Leibspeise ihres zehnjährigen Bruders Barratt: kalte andalusische Knoblauchsuppe. Mama hat den beiden eine große Steingutschüssel mit Rucolasalat auf den Tisch gestellt, dazu geröstetes Bauernbrot und eine Schüssel selbst angerührten Kichererbsenbrei. Seit Stunden blubbert ein Bohneneintopf mit Wildreis und Pilzen auf dem Holzherd.
Liz hat die Schirmlinge unter den Steineichen im Küchengarten gefunden. Dort holt sie auch Weintrauben, Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen für Limonade, Eier fürs Frühstück und Kürbisse und Persimonen für Kompott. Hinter der sechs Meter hohen felsigen Gartenmauer duftet es köstlich nach Bohnenkraut, Rosmarin und Pinienharz, Lorbeer- und Johannisbrotbäume wachsen in den selbstverständlich blauen Himmel.
Pedruxella Gran ist ein Kleinod in den Bergen Mallorcas. Auf dreihundert Meter Meereshöhe protzt es wie eine Festung über dem Tal Vall d’en Marc, eingerahmt von Steineichen und Zedern, einem gepflasterten Vorhof wie von anno dazumal. Die Gemächer der Besitzer befinden sich auf der Sonnenseite, so wie auch der Lustgarten mit Rosenbüschen, Bougainvilleas und Meerkirschenbäumen.
Um einen maurischen Turm aus dem 13. Jahrhundert gruppieren sich das Herrenhaus (neun Schlafzimmer, sechs Badezimmer, zehn Kamine), vier Nebengebäude für Arbeitsgeräte, Schafe, Hausschwein, Pferd, dann noch ein in die Felsen geschlagenes Schwimmbad – und das Schmuckstück in einem weiß gekalkten Gebäude in der Größe eines Kirchenschiffs: die zweihundert Jahre alte Olivenmühle.
Einmal im Jahr findet hier die Tafona statt, die wichtigste Fiesta der Olivenbauern. Liz und Bos haben sechzig Freunde und Verwandte zu dieser ersten Olivenölpressung des Jahres eingeladen. In der Rolle der Gesellschafter haben sie alle Hände voll zu tun, derweil flitzen ihre vier WWOOF-MitarbeiterInnen hin und her, tragen Tortillas und Pizza heran, schenken Binissalemer Rotwein ein, holen geräucherte Wurst vom Dachboden, legen Holzscheite unter dem riesigen, mit Wasser gefüllten Eisenkessel nach, der in einer Lehmmauer über dem Feuer hängt.
Noch vor zwei Tagen lagen in dem Kessel die Ölpressmatten in kochendem Wasser zum Einweichen. Danach wurden sie von Ölpresskuchenresten vom Vorjahr freigeklopft und zum Trocknen in die Sonne gehängt. Jetzt werden dieselben Körbe mit matschigem Olivenbrei gefüllt, der sich auf dem Mühlenboden abgesetzt hatte, nachdem sich zwei Stunden lang der vom Pferd gezogene schwere Mühlstein über die Ölfrüchte gedreht hatte.
Am anderen Ende eines enormen Eichenstamms stemmt sich Jason gegen einen Hebel, bis sich eine klobige, hölzerne Schraube dreht und den Stamm auf die übereinandergestapelten Esparatograsmatten herablässt. Gleichzeitig wird heißes Wasser über die Matten geschöpft, damit sich das Öl besser löst. Das Gemisch aus Öl und Wasser fließt in einen Bottich und bleibt so lange stehen, bis sich das zähflüssige Öl nach oben abgesetzt hat.
John wärmt inzwischen Brot im Feuer, reibt Knoblauchzehen und Tomaten über die Scheiben, bestreut sie mit Salz und beträufelt sie mit Öl – die traditionelle Art, das erste Öl der Saison zu verköstigen. Tanya ist mittlerweile beschwipst und schäkert mit den Gästen.
Lisa ist oben bei den Kindern und liest eine Gute-Nacht-Geschichte vor. „Was soll ich sagen“, meint Liz gerührt, „was wären wir ohne WWOOFer – unsere Kinder lieben sie.“