: Gelbe Karte für Umweltfrevel
Die EU-Kommission droht dem Bund und Hamburg mit Strafen in Millionenhöhe. Nach sechs Jahren fehlt noch immer der ökologische Ausgleich für das Süßwasserwatt Mühlenberger Loch, das für den Ausbau des Airbus-Werkes zugeschüttet wurde
Von Sven-Michael Veit
Das sei die Quittung dafür, glaubt Manfred Braasch, „dass Hamburg europäisches Umweltrecht mit Füßen getreten hat“. Deshalb nimmt der Chef des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in der Hansestadt die gelbe Karte aus Brüssel „erfreut“ zur Kenntnis: Ein millionenschweres Bußgeld wegen fortgesetzten Umweltfrevels hat die EU-Kommission jetzt der Hansestadt angedroht. Denn die hat noch immer keinen ökologischen Ausgleich für die Vernichtung der Elbbucht Mühlenberger Loch geschaffen, auf dem jetzt das erweiterte Werk des Flugzeugkonzerns Airbus steht.
Die letzte Warnung der EU richtet sich formal an die Bundesregierung, inhaltlich aber an die Hansestadt. Danach hat Umweltkommissar Stavros Dimas ein so genanntes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil bislang kein ausreichender Ersatz für das ökologisch wertvolle Süßwasserwatt vor Hamburg-Finkenwerder geschaffen wurde.
Das aber war Bedingung dafür, dass die EU im Jahr 2000 für die teilweise Zuschüttung des Biotops eine Ausnahmegenehmigung erteilte. Bund und Stadtstaat verpflichteten sich im Gegenzug, „zeitnah“ Ersatzflächen für die vertriebenen Fisch-, Vogel- und Pflanzenarten zu schaffen. Das aber sei nur zum Teil geschehen, moniert Brüssel nun.
Zugleich weist Dimas in seinem Schreiben darauf hin, dass die Kommission aufgrund neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine Genehmigung für die Aufschüttung der 165 Hektar großen Werksfläche heute nicht mehr erteilen würde. Allerdings würde sie die Erlaubnis auch nicht zurückziehen: Die Airbus-Werft, die für die Montage des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 erweitert wurde, müsse um ihren Bestand nicht fürchten. Die versprochenen Ausgleichsflächen aber vermisst Brüssel immer noch.
Hamburg, das selbst keinerlei Reserven zu bieten hatte, sicherte sich durch Staatsverträge mit seinen Nachbarländern zwei Ausgleichsflächen. Die halfen gerne aus in der Hoffnung auf mehr als 2.000 Arbeitsplätze, die Airbus durch die Produktion des Riesenjets zu schaffen versprach. Die niedersächsische Elbinsel Hahnöfersand wurde bereits zu zwei Dritteln auf Kosten der Hansestadt abgebaggert, um dort ein Süßwasserwatt zu schaffen. Mit den Planungen für ein zweites und deutlich größeres Gebiet auf dem schleswig-holsteinischen Elbufer aber ging Hamburg juristisch baden.
Das Verwaltungsgericht Schleswig bestätigte im September vorigen Jahres auf Antrag des BUND und des Naturschutzbundes (NABU) seine Eilentscheidung aus dem Jahr 2001. Die Haseldorfer Marsch westlich von Wedel dürfe nicht als Ausgleich für das Mühlenberger Loch herangezogen werden, beschlossen die Richter im Hauptverfahren. Das Areal an der Elbe sei bereits „ein hochwertiges Vogelschutzgebiet nach EU-Recht“, deshalb könne es nicht das gerade vernichtete Schutzgebiet Mühlenberger Loch kompensieren.
BUND-Chef Braasch wirft Hamburg nun vor, nie ernsthaft nach einer Alternative gesucht zu haben. Seit der Eilentscheidung vor fünf Jahren wisse der Senat, so Braasch, „dass die Haseldorfer Marsch nicht zu Verfügung steht“. Der blaue Brief aus Brüssel, den der BUND selbst im April 2005 durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission initiiert hat, sei „überfällig“.
Die Bundesregierung, die formal Vertragspartner der EU ist, bewertete die Mahnung aus Brüssel gestern als „normales Verfahren“. Bis Mitte Februar müssten Bundesumweltministerium und das Bundesland Hamburg eine Stellungnahme einreichen, dann sähe man weiter. Wenn die Kommission dennoch hart bleibe, müsse sie ihre Bußgeldforderungen vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen. Und das könne sich „über Jahre hinziehen“.
Die Wirtschaftsbehörde der Hansestadt gab sich gestern ebenfalls wortkarg. Es gebe „ständigen Kontakt“ mit Berlin und Brüssel, beteuerte ihr Sprecher Arne von Maydell, aber keinen Grund zu Pessimismus. Die mit der konkreten Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen beauftragte städtische Realisierungsgesellschaft teilte mit, „auf Konsens“ setzen zu wollen: „Wir sind für Gespräche offen.“
Wirtschaft und Umwelt SEITE 8