Abstimmung mit den Füßen gegen kleine Geburtskliniken

MANGELNDE AUSLASTUNG Die Zahl der Geburtsstationen in Schleswig-Holsteins Kliniken sinkt nach dem Aus für Sylt weiter. Die Debatte um Oldenburg läuft

VON ESTHER GEISSLINGER

Der Schwangeren hilft das Ding gar nichts, aber es klingt halt toll: Die ebenso laute wie nutzlose „Maschine mit dem Ping“ ist der heimliche Star eines Sketches, in dem die englische Komikertruppe Monty Python 1983 den Gerätewahn eines modernen Krankenhauses karikierte. Doch der Wunsch nach Hightech im Kreißsaal ändert allmählich die Infrastruktur der Geburtshilfe. In Schleswig-Holstein sinkt die Zahl der Kliniken, in denen Schwangere entbunden werden.

Jeder vierte Standort wurde in den vergangenen zehn Jahren geschlossen, zurzeit gibt es in dem Land mit seinen 2,8 Millionen EinwohnerInnen nur noch 22 Orte mit eigener Geburtshilfe. Nachdem im Winter trotz heftiger Proteste die Klinik auf Sylt geschlossen wurde, gibt es zurzeit Debatten um die Geburtsstation in Oldenburg.

Überraschend hatte der Klinik-Betreiber Sana im März bekanntgegeben, dass die Fachabteilung in dem ostholsteinischen Ort geschlossen werden solle. Der Grund, wie bei allen kleinen Standorten: Geburtenmangel. Im vergangenen Jahr seien nur noch 180 Kinder in Oldenburg zur Welt gekommen, teilte die Klinik mit. Fast zwei Drittel der Schwangeren im Einzugsgebiet entbinden in einer der größeren Kliniken der Region: „Viele suchen die Sicherheit eines Perinatalzentrums“, heißt es in einer Präsentation, die Klinikgeschäftsführer Stephan Puke dem Sozialausschuss des Kieler Landtages vorstellte.

Gemeint sind damit Krankenhäuser, die ein definiertes Maß an Fachärzten, OP-Sälen und Geräten bereithalten, um in Notfällen schnelle Hilfe für Mutter oder Säugling leisten zu können. In der Regel wird der Gerätepark im Hintergrund nur bei Risiko-Schwangerschaften empfohlen. Aber immer mehr Frauen gelten – allein wegen des höheren Durchschnittsalters bei Geburten – als Risikofälle oder gehen auch ohne ärztliche Anweisung auf Nummer extrasicher: Die Klinik-Betreiber sprechen von der „Abstimmung mit den Füßen“, die den kleineren Standorten die Existenz kostet.

Kaltenkirchen, Kappeln, Helgoland, Mölln und Brunsbüttel zählen zu den Orten, deren Geburtshilfen dichtmachen mussten, weil die geringe Zahl an Fällen sie unrentabel machten. Öffentliche Proteste retteten dagegen die Geburtshilfe in Eckernförde.

Der Ersatzkassenverband (VDEK) in Schleswig-Holstein hatte zum Jahresanfang die Debatte über die Zukunft der kleineren Stationen angestoßen. VDEK-Sprecher Florian Unger nannte als Gründe vor allem die Sicherheit für Mutter und Kind, die stark von der Geburtenzahl abhänge. Verteidiger der kleinen Kliniken verweisen dagegen auf die Risiken durch weitere Wege.

Im Fall Ostholstein beschäftigte sich damit auch der Sozialausschuss des Landtags. Sana will die Geburtsabteilung der Klinik in Eutin weiter ausbauen, um die werdenden Mütter aus Oldenburg zu versorgen – das Konzept überzeugte weder die Landespolitik noch die Bevölkerung. Unter anderem gab es Kritik an den Transportwegen zur weiter entfernten Klinik. „Wenn der Sana-Konzern schon nicht davon zu überzeugen ist, die Geburtshilfe in Oldenburg zu erhalten, dann muss er zumindest seine Zusagen zum Konzept einhalten“, sagte die Gesundheitsexpertin der Grünen, Marret Bohn, nach der jüngsten Sozialausschusssitzung. Sana wollte Schwangere zum Beispiel von der Insel Fehmarn im Notfall per Rettungshubschrauber nach Eutin bringen lassen. Es gibt jedoch Zweifel an der Verfügbarkeit des Helikopters. Und bei Starkwind oder Nebel könnte er überhaupt nicht fliegen. Der Piraten-Abgeordnete Wolfgang Dudda forderte deshalb: „Aufgrund der Mängel im Sicherheitskonzept darf die Schließung nicht stattfinden.“

Das Land hat nach Auffassung des Kieler Sozialministeriums offenbar wenig Einflussmöglichkeiten: Der Krankenhausplan schreibt dem Betreiber nur vor, an einem Standort eine Geburtsklinik aufrechtzuerhalten. Aber der monatelange Streit scheint mittlerweile auch Sana nicht recht zu behagen: Geschäftsführer Stephan Puke wurde inzwischen abgelöst.