Moskau und Minsk streiten sich weiter

Weißrussland erhebt Transitabgabe auf russisches Öl. Russland will für Rohölexporte ins Nachbarland kassieren

BERLIN taz ■ Weißrusslands autoritärer Staatschef Alexander Lukaschenko ist offenbar wild entschlossen, sich weiter mit Russland anzulegen: Am Mittwoch teilte der weißrussische Ministerpräsident Sergej Sidorski mit, Minsk erhebe Transitabgaben auf russisches Öl. Für jede Tonne Rohöl, die über weißrussisches Territorium an Verbraucher in Europa geleitet werde, müsse Russland künftig 45 Dollar zahlen. Der russische Pipeline-Monopolist Transneft reagierte prompt. Die Regierung in Minsk habe kein Recht, derartige Abgaben zu fordern, weil das Öl Russland gehöre. Transitgebühren bedürften einer russischen Zustimmung, sagte der Vizepräsident von Transneft, Sergej Grigoriew.

Am 31. Dezember 2006 hatten beide Staaten kurz vor Ablauf eines Ultimatums ihren Streit über höhere Preise für Gaslieferungen von Russland nach Weißrussland beigelegt. Der Vereinbarung zufolge muss Minsk künftig 100 statt wie bisher 47 Dollar für 1.000 Kubikmeter Gas bezahlen. Bei seinem ersten Auftritt nach der Unterzeichnung der Vereinbahrung mit Moskau und aus Anlass der avisierten weißrussischen Transitgebühren wurde Lukaschenko deutlich: „Wir sind gegenüber Russland zu 100 Prozent sauber. Wir haben alles getan, was sie von uns verlangt haben, und heute ist der Zeitpunkt gekommen, um von ihnen die Einhaltung ihrer Versprechen zu fordern“, zitierte die Online-Ausgabe der weißrussischen Zeitung Belorusskaja Delovaja Gazeta (BDG) den Präsidenten. Er habe der Regierung freie Hand gegeben. Sollte sich jemand querlegen, müsse der Regierungschef den Generalstaatsanwalt informieren. „Und dann Handschellen und sofort ab ins Gefängnis“, sagte Lukaschenko.

Der Unmut des weißrussischen Präsidenten dürfte auch noch einen anderen Grund haben. So hatte Moskau angekündigt, ab diesem Jahr von Minsk auch Abgaben auf russische Rohölexporte nach Weißrussland in Höhe von 180 Dollar pro Tonne zu erheben. Bislang war Minsk von diesen Abgaben befreit und erzielte mit der Ausfuhr von Raffinerieprodukten aus russischem Rohöl 2006 einen Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar. Expertenschätzungen zufolge sind die Gaspreiserhöhungen sowie die Rohöl-Exportabgaben für Weißrussland gleichbedeutend mit einem Verlust von jährlich vier Milliarden Dollar.

Der weißrussische Wirtschaftsexperte Jaroslaw Romanschuk entwirft schon ein Schreckensszenario. „Uns erwarten garantiert Preiserhöhungen für kommunale Dienstleistungen und öffentliche Verkehrsmittel. Heizen wird erheblich teurer und die Finanzierung irgendwelcher Investitionsprogramme wird unmöglich. Sowohl das Finanz- als auch das Bankensystem sind akut bedroht“, sagt er der BDG. BARBARA OERTEL

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