: Spät aber mächtig
ABSTIEGSKAMPF Der FC St. Pauli überrennt Köln mit 3:0 und feiert die Wiederauferstehung des Charles Takyi
Nach dem Fußball-Bundesligaspiel zwischen dem FC St. Pauli und dem 1. FC Köln sind am Samstagabend in Hamburg 120 Kölner Fans von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Auf dem Weg vom Stadion in Richtung Reeperbahn hatten Fans des Kölner Fußballvereins nach Spielende gegen 22.30 Uhr mit Sprengkörpern geworfen. Ein Polizeibeamter wurde verletzt, wie der Lagedienst der Polizei in Hamburg mitteilte. Bereits bei der Anreise hatten einige Kölner Fans am Hamburger Hauptbahnhof randaliert. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein.
Der Jubel ist wie eine Befreiung – für sein Team, vor allem aber für ihn selber. Sekunden zuvor – wir schreiben die 26. Spielminute – hatte Charles Takyi Maß genommen, aus 25 Metern, den Ball optimal getroffen und den Ball nach Marke „Tor des Monats“ im Kölner Kasten zum 1:0 versenkt. Es ist das erste Bundesligator des Ghanaers, der sechs Minuten später gleich den zweiten Treffer markiert.
Fortan überrollt der FC St. Pauli – angeführt von einem Charles Takyi, dem an diesem Tag einfach alles gelingt –, die Kölner. Hatten die Rheinländer bis zum Führungstreffer die Partie noch ausgeglichen gestalten können, brechen nun alle Dämme. Vor allem die Kölner Ersatz-Innenverteidiger Eichner und Makino lassen den gelbgesperrten Kölner Abwehrchef Geromel schmerzlich vermissen. Vor Takyis 2:0 hebt Makino das Abseits auf, vor dem 3:0 rennt Eichner Hamburgs Kruse über den Haufen, so dass Schiedsrichter Brych nicht anders kann, als auf den Elfmeterpunkt zu zeigen.
Am Ende einer einseitigen Partie spricht St. Paulis Trainer Stanislawski von einer „unglaublichen Dominanz“ seines Teams. Die Statistik attestiert ein Torschussverhältnis von 30:3.
Weil Kölns Keeper Rensing Schlimmeres verhindert, steht es am Ende „nur“ 3:0 für die Hamburger, die damit die Kölner hinter sich lassen und auf Rang 14 nun drei Punkte Abstand zur Abstiegszone haben. Und einen Takyi, der mit Verspätung in der Bundesliga angekommen ist.
„Ich will und werde mich endlich etablieren – in der Klasse, in der ich immer spielen wollte“, hatte Takyi – der auf den Spitznamen „Sir“ hört – nach dem von ihm lang herbeigesehnten Aufstieg angekündigt. Noch Ende der Hinrunde hatte es danach nicht ausgesehen. Da spielte Takyi keine Rolle mehr. Der Edeltechniker, der sein Potential nur sporadisch abruft, wurde erst aus der Startelf, dann sogar aus disziplinarischen Gründen ganz aus dem Kader verbannt. Und wenn der Mittelfeldmotor mal auf dem Platz stand, wirkte er verängstigt, lief die falschen Wege, spielte die falschen Pässe, fand in bedrängten Situationen die falschen Lösungen.
Doch Stanislawski hielt an dem Sensibelchen fest, brachte ihn zu Beginn der Rückrunde in der Startelf. Der Lohn für diese Treue: Eine durchwachsene Partie gegen Freiburg, ein gutes Spiel mit fulminantem Lattentreffer in Hoffenheim, eine „Weltklasseleistung“ (Mopo) mit Tor-Doppelpack gegen Köln.
Keines der drei Spiele, in denen Takyi von Anfang an mitmischte, ging verloren. Ein gutes Omen für das Derby gegen den HSV, das kommenden Sonntag im Volkspark stattfindet. MARCO CARINI