SPD will diesen Kombilohn, Union jenen
Die Union gibt sich reserviert gegenüber dem SPD-Plan „Bonus für Arbeit“. Beide Seiten haben aber eine wissenschaftliche Prüfung beschlossen. Ergebnisse für Februar erwartet. Gewerkschaft Ver.di gegen SPD-Modell
BERLIN taz ■ Ihr Konzept der Steuergutschrift für Niedrigverdiener hat die SPD vor der Veröffentlichung mit der Union besprochen. „Das war Thema in der Arbeitsgruppe“ des Bundesministeriums für Arbeit, sagte ein Teilnehmer gegenüber der taz. An dem Gremium, das die Reform des Niedriglohnsektors ausarbeitet, nehmen Vertreter der SPD, der Union und des Ministeriums für Arbeit teil.
Bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende in Bremen hat die SPD das Konzept freilich einseitig als Ziel verkündet: Es heißt nun „Bonus für Arbeit“. Beschäftigten mit niedrigen Einkommen soll der Staat die Sozialabgaben zurückerstatten. Der Effekt: Die Geringverdiener könnten mehr Geld im Portemonnaie haben, der Anreiz zur Aufnahme einer schlecht bezahlten Tätigkeit würde stärker.
Die Spitze der Union reagierte nicht unbedingt ablehnend, aber doch reserviert. „Wichtig ist: Wer arbeitet, muss zum Schluss mehr in der Tasche haben, als wenn er nicht arbeitet“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe warnte davor, wegen neuen Debatte andere arbeitsmarktpolitische Beschlüsse zu vertagen. Zwar sei die Union grundsätzlich bereit, über den Vorschlag der Sozialdemokraten zu diskutieren, doch sei die Umsetzung und Gegenfinanzierung dieser Idee „hochkomplex“ und lasse sich nicht in wenigen Wochen klären, so Brauksiepe.
Genau das aber haben Union und SPD in der Arbeitsgruppe zum Niedriglohnsektor beschlossen. Vergangenen Dezember diskutierten die Teilnehmer das Modell des Würzburger Ökonomieprofessors und Regierungsberaters Peter Bofinger. Darauf basiert nun der Vorschlag der SPD. Zunächst lehnte die CDU den Plan ab. Weil die SPD aber nicht lockerließ, kamen beide Seiten schließlich überein, die Idee von weiteren Wissenschaftlern prüfen zu lassen. Mit Ergebnissen rechnet man für Februar.
Bofinger schlägt vor, dass der Staat die Sozialabgaben von Geringverdienern bis zu einer Grenze von 750 Euro Lohn bei Singles und 1.300 Euro bei Paaren übernehmen solle. Jenseits dieser Grenze würde der staatliche Zuschuss allmählich sinken. Er rechnet damit, dass die neue Förderung bis zu 4 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Pro 100.000 Beschäftigte würde man über den Daumen mit Kosten von 240 Millionen Euro rechnen, hieß es gestern aus dem Bundesfinanzministerium.
Der SPD-Vorschlag beschreibt eine spezielle Variante des sogenannten Kombilohns: Ein zusätzlicher Teil des Verdienstes von Beschäftigten würde aus staatlichen Kassen stammen. Der Staatszuschuss wäre aber auf die Höhe der Sozialausgaben – rund 20 Prozent des Lohns – beschränkt. Auch die Union befürwortet die Einführung von Kombilöhnen, um Geringverdienern die Arbeitsaufnahme schmackhaft zu machen. „In der Gedankenwelt des Kombilohns“ könne man sich den SPD-Vorschlag durchaus vorstellen, sagte deshalb Kanzlerin Merkel – nicht ohne einzuschränken: „Aber man kann sich auch andere Dinge vorstellen.“ Bislang plädiert die Union dafür, Kombilöhne nicht flächendeckend einzusetzen, sondern auf bestimmte Zielgruppen des Arbeitsmarkts zu begrenzen. Gedacht ist an spezielle Maßnahmen für jüngere und ältere Arbeitslose.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat sich gegen den Plan der SPD ausgesprochen. Ver.di-Chef Frank Bsirske sagte, damit würde eine negative Einkommensteuer eingeführt. Ziel sei es, dass die Abgabensenkung als Lohnsenkung beim Arbeitgeber ankomme. Das Ergebnis wäre eine staatlich organisierte und subventionierte weitere Umverteilung zu Lasten der Löhne und zugunsten der Gewinne, kritisierte Bsirske. Die SPD solle sich besser für einen gesetzlichen Mindestlohn einsetzen, meint er.
Auch das will die SPD tun – kommt aber gegenüber der Union nicht so recht voran. Die Christdemokraten lehnen einen gesetzlichen Mindestlohn ab.
HANNES KOCH