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Archiv-Artikel

Der Doc kommt in den Norden

Neues Betätigungsfeld: In Flensburg eröffnet am kommenden Montag die erste norddeutsche Filiale des niederländischen Apotheken-Discounters DocMorris. Die ortsansässige Konkurrenz sieht dem „nicht ganz gelassen“ entgegen

Von Elke Spanner

Am nächsten Montag kommt die billige Konkurrenz: DocMorris, der Apothekendiscounter aus den Niederlanden, eröffnet seine erste Filiale in Norddeutschland. Nach Recherchen der taz wird erstmals im schleswig-holsteinischen Flensburg das DocMorris-Logo an einer norddeutschen Apotheke prangen. Die Eröffnung dieser Niederlassung soll der Auftakt sein für den Aufbau eines flächendeckenden Netzes. Im Wochentakt sollen in Deutschland neue Filialen folgen, bis in drei bis fünf Jahren bundesweit 500 DocMorris-Apotheken eröffnet sind. „Die Marke“, kündigt Unternehmenssprecherin Katharina Bittel an, werde „überall präsent sein“.

Für die Kunden mag das wie ein Versprechen klingen, für andere Apotheker bedeutete es eine Drohung. Denn DocMorris, bereits heute die größte Versandapotheke Europas, setzt auf Preiskampf: Kassenpatienten sollen nur die Hälfte des Üblichen auf verschreibungspflichtige Medikamente zuzahlen müssen, Privatpatienten einen Bonus von drei Euro auf jedes Arzneimittel bekommen. Und rezeptfreie Medikamente sollen bis zu 30 Prozent billiger angeboten werden als bei der Konkurrenz.

DocMorris selbst wollte gestern nicht verraten, wo genau die erste norddeutsche Filiale eröffnen wird – das gibt das Unternehmen offiziell erst am Sonntag bekannt. Offenbar fürchtet die Firma, die ortsansässigen Apotheker schon im Vorfeld gegen die neue Konkurrenz aufzubringen. Eine erste Filiale, die DocMorris vorigen Juni in Saarbrücken eröffnete, hatte nach einer Klage der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände sowie der regionalen Apothekerkammer wieder schließen müssen. Inzwischen aber hat die Kette ihr Konzept umgestellt: Die Filiale in Saarbrücken hatte DocMorris dem früheren Eigentümer abgekauft. Dagegen führten die eingesessenen Apotheker das deutsche Apothekenrecht ins Feld. Dieses schreibt vor, dass ein Apotheker maximal drei Filialen betreiben darf.

Diese Hürde aber hat DocMorris nun genommen, indem die Kette keine Apotheken aufkauft, sondern mit deren Eigentümern Markenpartnerschaften eingeht. Bundesweit erster Partner ist die frühere Luisenapotheke im ebenfalls saarländischen St. Wendel, die sich am vergangenen Montag in DocMorris umbenannte.

Die Apotheker im nördlichsten Bundesland sehen der Flensburger Neuerung mit gemischten Gefühlen entgegen. „Der Kunde wird selbst entscheiden, welches die Apotheke seines Vertrauens ist“, sagt der Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Apothekerkammer, Frank Jaschkowski. „Es gibt über den Preis hinaus noch ein anderes Bedürfnis der Kunden.“ Er glaubt auch nicht, dass Medikamente bei DocMorris tatsächlich billiger sein werden. Auf Zuzahlungen verschreibungspflichtiger Medikamente dürfe eine Apotheke gar nicht verzichten, die seien vorgeschrieben.

Der Apothekerverband Schleswig-Holstein sieht die Sache dagegen „nicht ganz gelassen“, wie Geschäftsführer Thomas Friedrich einräumt. „Es wird eine Veränderung am Markt geben.“ Bisherige Kooperationen von Apothekern, beispielsweise unter dem Label „gesund ist bunt“ oder „Linda-Apotheke“, hätten den Markt nicht umgewälzt. Die aber seien bei weitem nicht so bekannt wie DocMorris.

Dass das niederländische Unternehmen nun hierzulande Filialen eröffnet, wertet Friedrich allerdings nicht als Ausdruck für besonderen Erfolg. Im Gegenteil sei der Versandhandel, das bisherige Geschäftsfeld, offenbar alleine nicht ausreichend. Eine im Dezember vom Bundesgesundheitsministerium veröffentliche Statistik zeigt demnach, dass der Anteil des Versandhandels an den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für Arzneimittel stark rückläufig ist. „Offenbar sucht DocMorris ein neues Betätigungsfeld“, mutmaßt auch die Bundesvereinigung deutscher Apothekenverbände.

DocMorris geht davon aus, mit dem neuen Konzept satte Gewinne einzufahren. Die Eigentümer der einzelnen Partnerapotheken, erklärt Sprecherin Bittel, sollen die Marke nutzen, um neue Kunden zu gewinnen. DocMorris setzt im Gegenzug auf die Bindung der bisherigen Stammkundschaft durch die alten Eigentümer. In die DocMorris-Niederlassung in Saarbrücken, die nur wenige Wochen geöffnet hatte, seien die Kunden „in Scharen“ gekommen, sagt Vorstandsmitglied Thomas Schiffer. „In nur einem Monat“, bestätigte damals auch der Vorstandsvorsitzende Ralph Däinghaus der taz, „haben wir den Umsatz der von uns übernommenen alteingesessenen Apotheke glatt verdoppelt.“

Dabei ist auch noch offen, ob die seinerzeit verfolgte Strategie, ortsansässige Filialen aufzukaufen, mit dem Gesetz unvereinbar ist. So hatte der saarländische Sozialminister die DocMorris-Niederlassung mit dem Argument genehmigt, dass die Europäische Union längst andere Standards setze als das deutsche Apothekengesetz. In Italien, Spanien und Österreich hob die EU-Kommission entsprechende Beschränkungen auf. Ob es beim deutschen Apotheken-Sonderweg bleibt, müssen die Gerichte noch abschließend entscheiden.