Jobcenter streichen Umschulungen

BILDUNGSGUTSCHEINE Gegen den Fachkräftemangel könnten Umschulungen helfen. Doch die Agentur für Arbeit kürzt die Zuschüsse: Gefördert werden soll nur noch, was unmittelbar zu einem Job führt

■ Budget für alle Ausgaben 2010: 187 Millionen Euro

■ Budget für alle Ausgaben 2011: 134,2 Millionen Euro

■ Ausgegebene Bildungsgutscheine 2010: 7.100

■ Auszugebende Bildungsgutscheine 2011: noch in in Planung

■ Etat für Bildungsgutscheine 2010: 33 Millionen Euro

■ Etat für Bildungsgutscheine 2011: 23 Millionen Euro

VON ELENA OCHOA

Arbeitsagenturen und Jobcenter kürzen ihre Zuschüsse für Umschulungen von Arbeitslosen. „Die Bildungsgutscheine werden kräftig zusammengestaucht“ sagt Roland Kosiek, der für die Gewerkschaft Ver.di im Verwaltungsausschuss der Hamburger Agentur für Arbeit sitzt. Der Rückgang bei den Förderungen betrage etwa 40 Prozent.

Zwar seien die Mittel für die Agenturen insgesamt gekürzt worden, sagt Ver.di-Mann Kosiek. Allerdings längst nicht in diesem Ausmaß. Das bestätigt der Pressesprecher der Hamburger Agentur für Arbeit, Knut Böhrnsen: „Das Budget der Agentur ist nicht enger als im letztem Jahr.“ Die Agentur für Arbeit plane jedoch „andere Maßnahmen“, die es mit sich bringen könnten, dass die Nachfrage nach Bildungsgutscheinen sinke. Es arbeite an einer „neuen Gewichtung“, sagt Böhrnsen. Genaueres könne er noch nicht sagen.

Bildungsgutscheine waren bisher dafür da, Umschulungs- und Weiterbildungskurse für Arbeitslose zu fördern – denn diese Kurse können teuer werden. Vier Wochen kosten von 800 Euro an aufwärts, bei mehrmonatigen Umschulungen kommt man leicht auf 10.000 Euro und mehr. Durch Bildungsgutscheine konnten es sich Arbeitslosen bisher leisten, an Umschulungen teilzunehmen.

Doch die Jobcenter, die sich um die Hartz IV-Empfänger kümmern, haben die Scheine mancherorts sogar ersatzlos gestrichen. Es solle nur noch „qualifiziert“ gefördert werden, erklärt das Jobcenter Hamburg. „Alle Maßnahmen werden danach bewertet, wie hoch die Integration ist“, sagt Pressesprecher Horst Weise. Nur Schulungen, deren Teilnehmer anschließend einen festen Job finden, werden weiter durch Bildungsgutscheine gefördert.

„Der Ansatz ist richtig, nicht Wald und Wiese zu qualifizieren, sondern endlich mal genauer hinzugucken“, sagt Gabriele Jungitsch vom Hamburger Weiterbildungs-Träger komm.pass.arbeit. Allerdings würden bei der jetzigen Politik die unqualifizierten Arbeitssuchenden auf der Strecke bleiben. Jungitsch hat bereits über 2.000 Unterschriften gesammelt, um beim Senat gegen den Kurswechsel zu protestieren.

Thomas Repp arbeitet beim Projekt ¡Mok Wat! in Husum mit jugendlichen Hartz IV-Empfängern. Die neue Förderpolitik gefährde Einrichtungen, die sich um Arbeitssuchende mit Problemen kümmerten, sagt er. „Manche können sich einfach nicht qualifizieren lassen. Sie nehmen Drogen oder sind zu alt“, sagt Repp. Es hänge viel davon ab, welche Personen eine Weiterbildung besuchten.

Sprecher Weise vom Hamburger Jobcenter sieht das genau so – er zieht daraus nur den umgekehrten Schluss. Gefördert werden solle nur noch, wer vermittelbar ist, sagt er: „Wir konzentrieren uns auf die, die noch Chancen haben.“ Der Kuchen würde insgesamt kleiner, und die Jobcenter „machen das, was die Politik entscheidet“. Man könne Leute ja nicht zwangsqualifizieren.

Der Sprecher der Hamburger Agentur für Arbeit, Böhrnsen, behauptet dagegen, das Ziel der Integration am Arbeitsmarkt sei zweitrangig. Problemfälle würden weiterhin unterstützt. „Bildungsträger sind träge“, meint er. Sie müssten sich mehr um die Förderungen bewerben – und auch solche Teilnehmer gewinnen, die ihre Kurse selbst bezahlen.

Die Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen und Jobcentern sei „nicht immer optimal“, sagt Hubert Surmann von Symlog, einer Weiterbildungseinrichtung für Logistik und Verkehr. Gerade Hartz IV-Empfänger müssten ein langes Prozedere durchlaufen, um einen Bildungsgutschein zu bekommen. Sie müssten Praktika zur Eignungsfeststellung absolvieren oder sogar psychische Gutachten vorlegen. Wenn sie dann endlich die Zusagen hätten, würden die Kurse oft mangels zahlender Teilnehmer abgesagt: „Der Schein ist dann verfallen und das ganze Prozedere geht dann von vorne los.“

In anderen Fällen , sagt Surmann, würden die Jobcenter von vornherein keinen Schein ausstellen, weil ihnen die Mittel fehlten. „Da kann es schon mal vorkommen, dass große Männer heulen, weil sie doch keine Weiterbildung bekommen. “

Über das ganze Hin und Her könne könne durchaus ein halbes Jahr vergehen, so Surmann – eine Zeit, in der die Antragsteller Gefahr liefen, vom Arbeitslosengeld I in Hartz IV abzurutschen. „Das geht ja ziemlich schnell, man bekommt AGL I nur ein Jahr“, sagt er. Hartz  IV könne jeden treffen – auch geringfügig Beschäftigte, die weitere Unterstützung benötigen, gehören zu den Empfängern, ebenso arbeitslose Hochschulabsolventen. Denn wer nur studiert hat, hat nie ein anrechenbares Gehalt bekommen.

Ihre 2.000 Protest-Unterschriften würde Jungitsch vom Weiterbildungs-Träger komm.pass.arbeit gerne dem Hamburger Senat übergeben. Doch so kurz vor den Wahlen ist das sinnlos. Das Problem bleibt also bis auf weiteres ungelöst.