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Archiv-Artikel

Depression in der Geisterbahn

AUFHOLJAGD II Im Kellerduell verspielt Mönchengladbach eine 2:0-Führung – dank fragwürdiger Schiri-Entscheidungen und weil Trainer Frontzeck auf die Stuttgarter Spielerwechsel keine Antwort findet

Von DT

GLADBACH taz | An eine große Freiluft-Geisterbahn mit lebendigem Inventar erinnerte der Borussia-Park am Samstagabend. Auf den sich leerenden Rängen saßen bleiche Figuren neben brüllenden Männern mit verzerrten Gesichtern. Die Szenerie war in ein unheimliches grünes Licht getaucht, das die Gesichter der fassungslosen Mönchengladbacher Fußballer auf dem Rasen gespenstisch erscheinen ließ, noch schauerlicher sah es nach der 2:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart wohl nur in ihren Köpfen aus. Einige verschwanden wortlos in der Kabine: die, die sich äußerten, suchten nach Erklärungen, „bitter“ war das meistverwendete Wort.

Denn die Borussia ist im Duell des Tabellenletzten gegen den Vorletzten innerhalb einer Halbzeit von einem emotionalen Gipfel in eine tiefe Depression gestürzt. Schließlich hatte Gladbach nach Treffern von Dante (29.) und de Camargo (31.) zur Halbzeit 2:0 geführt, gegen einen Gast, der auswärts in dieser Saison noch nie gewonnen hatte. Außerdem waren erstmals in dieser Saison fast alle Spieler einsatzfähig, die Defensive wirkte seit Weihnachten erheblich stabiler. Und doch folgte ein furchtbarer Rückfall ins Jahr 2010.

Mit einer leidenschaftlichen Halbzeitansprache und zwei Auswechslungen hatte Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia seine Mannschaft verwandelt. „Plötzlich haben wir den Mann am Ball walten lassen und sind nur noch hinterhergelaufen“, meinte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl, dessen Trainer unfähig war, auf die neue Situation zu reagieren. Frontzeck schaute tatenlos zu, wie der eingewechselte Tamas Hajnal plötzlich die Fäden im Stuttgarter Spiel zog. Als es nach Toren von Pogrebnyak (51.) und Harnik (56.) 2:2 stand, wechselte Frontzeck dann Stürmer Mike Hanke für Stürmer Karim Matmour ein, auf die dramatischen Probleme im defensiven Mittelfeld reagierte er nicht.

„Sicher hätte ich zwei Stürmer rausnehmen und zwei Mittelfeldspieler einwechseln können, aber ich weiß nicht, ob das das richtige Signal gewesen wäre“, erwiderte Frontzeck dünnhäutig, und die Hauptschuld an der Niederlage trägt er tatsächlich nicht. Denn es gab ja noch Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer.

Der verwehrte dem Gladbacher 3:2, dem ein unabsichtliches Handspiel von Dante vorausgegangen war, die Anerkennung, aus kurzer Distanz war der Ball dem Innenverteidiger von der Hüfte an den Unterarm gesprungen (76.). Und weil Kinhöfer nach einer riskanten, aber sauberen Grätsche von Dante gegen Pogrebnyak auch noch auf Elfmeter für Stuttgart und Gelb-Rot für den Gladbacher entschied, was zum Siegtreffer durch Gebhardt führte (87.), lässt sich festhalten, dass er signifikant Einfluss genommen hat auf die Konstellation im Abstiegskampf.

Später drangen wilde Männergesänge aus der Stuttgarter Kabine, es war eine krachende Befreiung für den VfB. „Dieser Weg ist brutal“, stellte Labbadia erschöpft, aber glücklich fest. Ungerechtigkeiten können manchmal wunderschön sein. DT