Bleib faustlos, Buddy!

Gewaltprävention als Unterrichtsfach: Zahlreiche Maßnahmen sollen der zunehmenden Gewalt an Schulen entgegenwirken. Lehrer und Schüler lernen Strategien für ein konfliktfreieres Miteinander

Von Alke Wierth

Zu einer zweiten Rütli-Schule ist sie nicht geworden, die Otto-Wels-Grundschule in Kreuzberg. Dabei hatten auch ihre Lehrer sich Mitte vergangenen Jahres mit einem „Brandbrief“ an die Öffentlichkeit gewandt: Schüler kämen mit Messern bewaffnet zur Schule, Gewalttaten würden mit Handys gefilmt, so wurde die Leiterin der Kreuzberger Grundschule, Christiane Steimer-Ruthenbeck, damals zitiert.

An die Zeit, als der Brief bekannt wurde, denkt die Schulleiterin heute nicht mehr gern zurück. Der Rummel, der sich damals um die Grundschule entspannte, war für die Lösung des Problems wenig hilfreich. Positive Wirkung hatte der Brief dennoch. An der Otto-Wels-Grundschule gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Gewaltprävention.

Im laufenden Schuljahr bildet das Thema einen Schwerpunkt der schulischen Arbeit. Unter anderem werden SchülerInnen zu Konfliktlotsen ausgebildet. In einem neuen Unterrichtsfach mit dem Namen „Soziales Lernen“ sollen Kinder Verständnis für- und einen konfliktfreien Umgang miteinander üben. Eine zur Streitschlichterin ausgebildete Lehrerin bietet täglich eine Sprechstunde zum Thema Gewalt an der Schule an, und einmal in der Woche kommt der Türkische Elternverein, um Eltern und LehrerInnen zu beraten. Demnächst will die Grundschule noch eine Kooperation mit der Polizei vereinbaren. Deren Präventionsexperten haben an der Schule bereits zwei Seminare gegeben.

Schulen, die nach Unterstützung bei der Bekämpfung von Gewalt suchen, bietet die Schulverwaltung mittlerweile eine ganze Reihe von Maßnahmen an. Sie heißen „Buddy“, „Faustlos“ oder „Denkzeit“ und setzen mit Rollenspielen oder Atemübungen teilweise bereits in der Grundschule an.

Das Präventionskonzept „Buddy“ etwa soll seit Beginn dieses Schuljahrs in allen 5. und 6. Grundschulklassen umgesetzt werden. Unter dem Motto „Aufeinander achten. Füreinander da sein. Miteinander lernen“ übernehmen dabei beispielsweise ältere SchülerInnen Patenschaften für jüngere. Damit soll die soziale Kompetenz und die Übernahme von Verantwortung gestärkt werden. Hinter dem Projekt „Faustlos“ dagegen verbirgt sich ein Unterrichtsprogramm, das Kinder befähigen soll, mit Gefühlen wie Ärger und Wut nicht aggressiv, sondern kontrolliert umzugehen. Die Polizei bietet ihre Hilfe nicht nur in Form von Seminaren für SchülerInnen an – auch den LehrerInnen werden Angebote etwa in Sachen Intervention bei Gewalt gemacht.

Der Anstieg der in der Statistik verzeichneten Gewaltvorfälle an Schulen sei auch auf die Einrichtung solcher Hilfsangebote zurückzuführen, vermutete die Schulpsychologin des Bezirks Mitte, Aida Lorenz, als im vergangenen Dezember die aktuellen Zahlen präsentiert wurden. Schulleiter würden registrieren, dass sie aufgrund der Meldungen nicht diskriminiert, sondern im Gegenteil unterstützt würden, meinte die Expertin.

Die Unterstützung von und Kooperation mit Partnern außerhalb der Schule sei „sehr hilfreich“, bestätigt die Kreuzberger Schulleiterin Steimer-Ruthenbeck. Erste Erfolge der Maßnahmen seien an ihrer Schule bereits spürbar. Schwere Vorfälle „mit Messern oder Handyfilmerei“ gebe es nicht mehr, so die Rektorin der Otto-Wels-Grundschule: „Ganz ausrotten kann man Gewalt aber nicht.“

Ob die tatsächliche Zahl von Gewaltvorfällen oder nur die Anzahl von Meldungen steigt, mag die Kreuzberger Schulleiterin nicht beurteilen. Es sei aber, meint sie, „beunruhigend, wie Kinder heutzutage miteinander umgehen“. Raufereien habe es immer gegeben, so Steimer-Ruthenbeck, „aber heute wissen die Kinder nicht mehr, wann Schluss ist.“ Schuld daran trägt nach Ansicht der Pädagogin vor allem der Medienkonsum der Kinder. Viele kämen über Fernsehprogramme oder Computerspiele in Kontakt mit Darstellungen brutaler Gewalt. „Das ist ein Bereich, der sich unserem Einfluss als Schule komplett entzieht“, bedauert sie. Wichtig für den Erfolg jeder gewaltpräventiven Arbeit sei deshalb, die Familien einzubeziehen.