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Archiv-Artikel

Thüringer bekommen bald Haseloff I

Das sachsen-anhaltische Bad Schmiedeberg hat mit Hilfe von Bürgerarbeit die Zahl seiner Erwerbslosen stark reduziert. Deshalb wird das Projekt des Landwirtschaftsministers jetzt auf andere Orte und eine Kommune in Thüringen ausgeweitet

AUS BAD SCHMIEDEBERG THOMAS GERLACH

Eigentlich liegt Bad Schmiedeberg abseits und ist auf Nebenstrecken eher beschwerlich zu erreichen. Doch das 4.200-Seelen-Städtchen ist Ziel politischer Reisen und Kamerateams, seitdem dort Reiner Haseloff (CDU), Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, im November 2006 das Ende der Arbeitslosigkeit verkündet hat. Gestern schickte die SPD gleich zwei Fraktionsvorsitzende, um die „Bürgerarbeit“ zu erkunden, jenes arbeitsmarktpolitische Perpetuum mobile, das in Bad Schmiedeberg die Arbeitslosenquote von 15,6 Prozent im September 2006 auf 2,8 Prozent zum Jahresende drücken sollte.

Ganz gelungen ist das nicht, aber auf 6,3 Prozent ist die Arbeitslosigkeit dann doch gesunken. Das ist noch stattlich genug, dass die SPD-Fraktionschefs aus den Landtagen in Magdeburg und Potsdam, Katrin Budde und Günter Baaske, ein paar der 82 Bürgerarbeiter treffen wollten. Die arbeiten unter anderem im Altenpflegeheim, in der Kirchengemeinde und in der Kurklinik. Sie machen die Jobs, für die es normalerweise kein Geld gäbe und die daher nicht von regulären Beschäftigten übernommen werden können.

Bürgerarbeit ist für Arbeitslose gedacht, die wenige Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sei es, weil sie sich kein Auto leisten können, um den Ort zu verlassen, oder weil sie schlicht zu alt sind. Sie erhalten eine „marktferne“ gemeinnützige Beschäftigung im sozialen und kommunalen Bereich, die sowohl sozialversicherungspflichtig als auch unbefristet ist.

Perspektivisch sollen Arbeitslosengeld II, Wohnkostenzuschuss und Mittel aus der aktiven Arbeitsförderung das Projekt finanzieren. Die Bürgerarbeiter bekommen einen Lohn von etwa 800 Euro brutto für 38,5 Wochenstunden Arbeit. Eigentlich gibt es dabei ein rechtliches Problem: Die gleichzeitige Zahlung von aktiver Arbeitsförderung und passiver Arbeitslosenunterstützung ist zurzeit illegal. Deshalb wird Bürgerarbeit derzeit von der Bundesagentur für Arbeit, vom Land Sachsen-Anhalt sowie mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert.

Im Idealzustand wird mit dem Geld, das ohnehin für Arbeitslose bereitliegt, Arbeit geschaffen. So wiederholt es Rainer Bomba, Geschäftsführer der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, die für Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig ist. Bomba hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium in Magdeburg das Projekt Bürgerarbeit erdacht. Neben neuen Arbeitsplätzen stellten sich auch Effekte wie eine bessere Stimmung, Einsparungen in den Kommunen und die Entlastung der Sicherungssysteme ein.

Im Februar wird die Bürgerarbeit daher auf Barleben ausgedehnt, eine Gemeinde im „Speckgürtel“ der Landeshauptstadt Magdeburg. Barleben kann zwar eine Reihe prosperierender Betriebe vorweisen, dennoch finden auch dort Langzeitarbeitslose immer seltener einen Job – ein Problem, das in der derzeit guten Konjunktur deutlich zutage tritt.

Darüber hinaus soll Bürgerarbeit auch in einem anderen Bundesland ausprobiert werden: Thüringen. Derzeit sucht das Land für das Projekt nach einer geeigneten Testkommune im Landkreis Altenburger Land. Wegen der bundesweit positiven Resonanz hat Wirtschaftsminister Haseloff bereits weitere Regionen im Blick. Die Arbeitsagentur Sangerhausen im Südharz solle mit eingebunden werden und Orte in den Landkreisen Sangerhausen, Mansfelder Land und Aschersleben-Staßfurt, die für Bürgerarbeit geeignet sind, ausfindig machen.

Doch die Arbeitsagentur drosselt den Elan des Ministers. Nach Barleben und dem Altenburger Land ist erst einmal „das Ende der Fahnenstange erreicht“. So signalisierte es gestern die Sprecherin der Regionaldirektion Halle. Für mehr Bürgerarbeit sei vorerst kein Geld vorhanden.

Um an die fehlenden Finanzen zu kommen, sind weitere Gespräche in Berlin und in der Zentrale der Bundesagentur in Nürnberg erforderlich. Läuft die Bürgerarbeit erfolgreich, will Sachsen-Anhalt Ende dieses Jahres über eine Bundesratsinitiative eine Gesetzesänderung erreichen, um Bürgerarbeit regulär finanzieren zu können. Und dazu dürfte der gestrige Besuch des Brandenburgers Günter Baaske bei den Bürgerarbeitern von Bad Schmiedeberg hilfreich gewesen sein.