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Ruf nach TerrorgerichtKenntnisarmer Aktionismus

Der Vorschlag von Kiels Justizminister Döring offenbart weniger eine Schwachstelle des norddeutschen Justizsystems als vielmehr seine Unkenntnis desselben. Dass dreimal über den Fall Motassadeq verhandelt werden musste, liegt nicht daran, dass die Hamburger Richter inkompetent waren. Sondern daran, dass unser Rechtssystem einen Instanzenzug bereithält, der es ermöglicht, Urteile überprüfen zu lassen – mit gutem Grund übrigens. Motassadeq hat nicht rechtsunkundige Richter vorgeführt, sondern seine Rechte wahrgenommen.

Kommentarvon Elke Spanner

Konsequenterweise müsste Döring nicht nur einen norddeutschen Staatsschutzsenat schaffen, sondern mindestens drei: Nur so wäre man gewappnet, sollten Angeklagte sich gegen Urteile zur Wehr setzen. Aber womit sollten sich diese Senate überhaupt befassen? Der Fall Motassadeq zeichnet sich dadurch aus, dass er einzigartig ist, in vielerlei Hinsicht. Auf einen Ausnahmefall mit einer grundsätzlichen Reform zu reagieren, ist unsachlicher Aktionismus.

Zuerst übrigens saß eine sehr erfahrene Staatsschutzkammer über Motassadeq zu Gericht, die bereits über viele „Terrorverfahren“ zu entscheiden hatte. Im Falle Motassadeqs gibt es viele Aspekte, die an der Rechtsstaatlichkeit seines Prozesses zweifeln lassen. Die juristische Kompetenz seiner Richter gehört nicht dazu.

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