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Archiv-Artikel

Kriminelle Abo-Werbung

Von Betrug bis Bestechung: Der Heinrich Bauer Verlag wurde von seinen eigenen Drückerkolonnen betrogen

Es wäre ein Stoff für jeden „Tatort“: Millionenbetrügereien, Ausflüge ins Rotlichtmilieu und ein Rollkommando, das einen unliebsamen Mitwisser halb tot schlug. Doch das Drehbuch entstammt der Realität, im Mittelpunkt steht eines der großen europäischen Zeitschriftenimperien: der Heinrich Bauer Verlag.

Mit 166 Titeln (Bravo, Tina, TV Movie, Coupé) in 14 Ländern setzt er rund 1,8 Milliarden Euro im Jahr um. Um die Abonnentenzahlen der zahlreichen Bauer-Blättchen zu steigern, bediente sich das Unternehmen seit Jahren bundesweit zahlreicher Drückerfirmen. Eine von ihnen war der in Hannover ansässige, 2004 in die Insolvenz gegangene EMV-Medienvertrieb. Dessen ehemaliger Chef, Hans-Peter E., soll nach Informationen der Hamburger Morgenpost (MoPo) den Bauer-Verlag um bis zu 20 Millionen Euro betrogen haben.

Der Verwurf: Der wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte Hans-Peter E. ließ Abonnement-Verträge fälschen, um kräftige Provisionen abzukassieren. 22.000 Abos, für die der Hamburger Verlag bezahlte, gelten bis heute als unauffindbar. Zudem soll Hans-Peter E. reale Abonnenten aufgefordert haben, ihr Abo zu kündigen, um sofort wieder ein neues abzuschließen. – Bauer zahlte also doppelt.

Doch der Verlag ist vermutlich nicht nur das Opfer eines Millionenbetrugs. Hans-Peter E. hatte offenbar auch Mitwisser und Helfer im 6.300 Mitarbeiter umfassenden Bauer-Imperium. So wurde Hans-Peter E. nach bislang unwidersprochenen Mopo-Informationen von der Bauer Vertriebs KG zu „Lustreisen“ eingeladen, die im Bordell endeten. Die Ausgaben seien dann als „Werbekostenzuschüsse“ verbucht worden. Wie die MoPo in ihrer heutigen Ausgabe weiter meldet, soll E. auch Bauer-Verantwortliche „geschmiert“ haben.

Bereits 2003 stellte der Verlag Strafanzeige. Verhaftet wurde E., der zurzeit in Nürnberg einsitzt, im Juli 2006 aber wegen eines anderen Vorwurfs. Er soll im November 2000 über einen Mittelsmann Schlägertrupps angeheuert und auf einen ehemaligen Geschäftspartner angesetzt haben, dem ein „Denkzettel“ per Eisenstange verpasst werden sollte. Das Opfer überlebte schwer verletzt.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen auch gegen zwei ehemalige Bauer-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue, der Verlag erhebt gegen sie zusammen Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe. Mindestens drei Spitzenmitarbeiter wurden im Zusammenhang mit der Affäre bereits geschasst: Der Geschäftsführer der Vertriebs KG, Bernd Baginski, musste ebenso den Hut nehmen wie Abo-Chef Johann van der Sluis und der langjährige Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun. Von ihm, der rechten Hand des Verlegers und Alleinherrschers Heinz Bauer, trennte sich das Zeitschriftenimperium im September 2006 offiziell wegen unterschiedlichen Auffassungen in „zentralen Fragen der Unternehmensführung“.

Öffentlich schweigt Bauer beharrlich zu den Vorfällen. Unter Hinweis auf das „laufende Verfahren“ lehnt Unternehmenssprecher Andreas Fritzenkötter jede Stellungnahme ab.

MARCO CARINI, HAMBURG