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Archiv-Artikel

Eine Anwältin lässt sich nicht einsacken

Staatsanwaltschaft klagt drei Polizeiführer wegen der rechtswidrigen Auflösung einer Bambule-Demo 2002 an. Die Vorwürfe lauten: Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Zunächst waren die Verfahren eingestellt worden

Vier Jahre lang haben sich die Ankläger schwer getan, das Handeln der Polizei im Dezember 2002 bei einer Bauwagen-Demo in der City zu verfolgen. Doch die Anwältin Barbara Ede ließ nicht locker. Nunmehr sieht sich die Staatsanwaltschaft genötigt, gegen die beiden Einsatzleiter Kuno Lehmann und Stefan Schneider wegen „Freiheitsberaubung in mindestens 50 Fällen“ Anklage vor dem Landgericht zu erheben. Ein Zugführer ist zudem der „Körperverletzung im Amt durch Unterlassen“ in vier Fällen angeklagt worden, bestätigte gestern Rüdiger Bagger, der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Nach der Räumung der Wagenburg Bambule im November 2002 war es wiederholt zu Protesten gekommen. So auch am 21. Dezember, als sich nach einer Demo von 4.000 Menschen im Schanzenviertel hunderte Protestler auf den Weg in die City machten und im Weihnachtstrubel auf dem Ida Ehre-Platz skandierten: „Schill muss weg!“ Der rechtspopulistische Innensenator Ronald Schill war der Motor der Bambule-Räumung.

Nachdem die Polizei zunächst versucht habe, die Schill-Gegner abzudrängen, seien die Demonstranten ohne Vorwarnung auf der Mönckebergstraße von hunderten PolizistInnen eingekesselt und in Gewahrsam genommen worden, sagt Barbara Ede. Auch Passanten seien festgenommen worden.

Ede erzählt, sie sei gegen 16 Uhr beim Einkaufen gewesen und nach dem Verlassen des Karstadt-Kaufhauses von Polizisten in den Kessel gezogen worden. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen sei sie in einem Gefangenentransporter stundenlang durch Hamburg gekarrt und danach bis 23 Uhr in eine Zelle eines abgelegenen Reviers gesperrt worden. Ähnliches sei etwa 100 weiteren Menschen wiederfahren.

Mittlerweile hat das Verwaltungsgericht klargestellt, dass das Vorgehen der Polizei rechtswidrig war, da die Proteste nach dem Versammlungsgesetz auch ohne Anmeldung „geschützt“ gewesen seien. Zudem hätte es vor einem Freiheitsentzug zumindest einer akustischen förmlichen Auflösung bedurft. Doch die gab es nicht: weder von Schneider als Einsatzleiter vor Ort, noch von Lehmann als Gesamteinsatzleiter. Stattdessen ließen sie die Menschen kurzerhand abtransportieren.

Ede wollte von Anfang an die für sie traumatischen Ereignisse nicht auf sich beruhen lassen. Sie erstattete gegen die Verantwortlichen Strafanzeigen und verklagte die Polizei auf Schmerzensgeld, das ihr vom Oberlandesgericht (OLG) in Höhe von 500 Euro zugesprochen worden ist. Doch die Staatsanwaltschaften stellten die Strafermittlungen ein. Es könne ein „Versehen“ gewesen sein, dass die Demo nicht aufgelöst worden ist oder sich um einen „Verbotsirrtum“ handeln, da die Polizeiführer nicht gewusst hätten, dass ihr Vorgehen rechtswidrig sei.

Als Ede ein Klageerzwingungsverfahren beim OLG beantragte, lenkte die Staatsanwaltschaft plötzlich ein. Lehmann und Schneider sollen sich wegen Freiheitsberaubung verantworten, ein anderer Polizeioffizier wegen der unnötigen Fesselung beim Transport, die Ede psychisch und physisch verletzte. Das Gericht muss nun entscheiden, ob es tatsächlich ein Verfahren eröffnet. KAI VON APPEN