: Bio-Boom birgt Risiken für Bauern
Alternative Landwirte begrüßen die wachsende Nachfrage bei Discountern, warnen aber vor Abhängigkeiten. Die Betriebe dürften nicht ihre gesamte Ernte an Aldi und Co verkaufen. Die regionale Vermarktung müsse gestärkt werden
BERLIN taz ■ Durch den aktuellen Boom bei Biolebensmitteln sieht sich die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL) in ihrer langjährigen Arbeit bestätigt. Die derzeitige große Nachfrage durch Discounter berge allerdings neben Chancen auch Risiken für Landwirte, sagte der AbL-Bundesvorsitzende Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf gestern in Berlin: „Wir freuen uns über den Einstieg der großen Ketten, denn er hilft dabei, den Anteil von Bioprodukten insgesamt zu steigern.“ Gleichzeitig warnte Baringdorf aber vor übereilten Vertragsabschlüssen mit den Discountern: „Es darf nicht passieren, dass Lebensmittelindustrie und Ketten in Zukunft den Rahm dieser Entwicklung abschöpfen.“
Vor allem eine mögliche Abhängigkeit der Landwirte von einzelnen Großabnehmern sieht AbL-Geschäftsführer Georg Janßen als Gefahr. Die Lebensmittelketten könnten es sich leisten, zunächst gute Preise zu bezahlen und mit Bioprodukten einige Jahre lang Verluste zu machen, um Marktanteile zu gewinnen. Dieser Trend dürfe nicht zu Lasten der bisherigen Vertriebswege gehen, forderte Janßen: „Es ist eine große Verlockung, aber es wäre töricht, wenn Landwirte jetzt ihre gesamte Ernte an einen großen Discounter verkaufen und die regionale Versorgung verrecken lassen.“
Durch die stark gestiegene Nachfrage sind in Deutschland bereits erste Bioprodukte knapp geworden. Neben dem neuen Bioangebot von Discountern und Ketten machen Fachleute dafür auch geringere Ernten durch schlechtes Wetter verantwortlich, etwa bei Kartoffeln und Getreide. Beim Biofleisch hat der jüngste Gammelfleisch-Skandal das Interesse gesteigert. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK haben deutsche Haushalte die Ausgaben für Bioprodukte 2006 um 17 Prozent gesteigert – vor allem bei Discountern, wo die die Zahl der Bioeinkäufe in den ersten neun Monaten des Jahres 2006 um mehr als 80 Prozent zunahm. Biomöhren werden bereits zu rund 75 Prozent bei Discountern verkauft.
Um die Nachfrage weiterhin zu bedienen, wächst der Import von Bioprodukten, etwa aus Argentinien, Chile, Kanada und Südafrika. Diesen Trend sieht die AbL überaus kritisch: „Bäuerliche Landwirtschaft lebt durch die regionale Erzeugung gesunder Lebensmittel“, sagte Graefe zu Baringdorf. Während die Lebensmittelketten auf einen möglichst „anonymen Markt“ setzten, müssten die Landwirte darauf drängen, dass regionale Herstellung sich als Qualitätsmerkmal durchsetze.
Heftige Kritik übte die AbL erneut an der Marketinggesellschaft CMA, an die alle Bauern Zwangsabgaben bezahlen müssen. Diese setze in ihren „unsinnigen Kampagnen“ noch immer auf zentrale statt regionale Vermarktung und diene mehr der Industrie als den Bauern.
MALTE KREUTZFELDT