: Kliniken an Ketten
Niedersachsen erteilt Zuschläge für acht Landeskrankenhäuser auch an Krankenhaus-Konzerne
Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) nennt es das größte Transaktionsverfahren im deutschen Gesundheitssektor, gestern erteilte das Kabinett in Hannover die Zuschläge für die Käufer von acht Landeskrankenhäusern (LKH). Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) darf sich über Einnahmen in Höhe von 107 Millionen Euro freuen. Er hatte nur mit 75 Millionen gerechnet.
Nach einem sieben Monate langen Bieterverfahren können international agierende Klinik-Konzerne vier Häuser übernehmen, nur drei gehen an gemeinnützige oder regionale Betreiber. Die Berliner Asklepios-Gruppe erhielt den Zuschlag für die Häuser in Göttingen und Tiefenbrunn, die Züricher Ameos Krankenhausgesellschaft die Kliniken in Osnabrück und Hildesheim. Die Arbeiterwohlfahrt erhielt den Zuschlag für Königslutter, das LKH in Wehnen geht an den Psychatrieverbund Oldenburger Land, die Stadt Lüneburg betreibt künftig das LKH in Lüneburg. Wenn das Bundeskartellamt keine Einwände hat, geht das Haus in Wunstorf an den Zusammenschluss der Kliniken der Region Hannover.
Nach dem Ablauf einer Frist, in der Mitbieter Einwände erheben können, sollen die neuen Besitzer im März den endgültigen Zuschlag erhalten, auch der Landtag muss der Privatisierung noch zustimmen. Die verkauften Häuser haben im Jahr 2005 mit insgesamt 3.000 Betten einen Umsatz in Höhe von 285 Millionen Euro erzielt.
„Gekauft“ werden auch 5.800 Beschäftigte. Nach einem im Sommer ausgehandelten Tarifvertrag sind allerdings alle Angestellten für mindestens zehn Jahre unkündbar, diejenigen, die älter als 45 Jahre sind, sogar bis zur Rente. Dennoch kritisierte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gestern, das „undurchsichtige Verkaufsverfahren“ sei zu einem fragwürdigen Ende, gekommen. Der Zuschlag für die Klinik werde den Druck auf die Löhne der Beschäftigten steigen lassen, befürchtete ver.di-Tarifexpertin Elke Nobel. „Nun sollen Gewinne um 20 Prozent gemacht werden, das heißt Steuergelder werden zum Wohle der Aktionäre großer Konzerne der Allgemeinheit vorenthalten“, sagte Nobel.
„Wir geben die zum Verkauf stehenden Häuser in gute Hände“, sagte dagegen Ross-Luttmann. Für die Auswahl der Erwerber seien vor allem medizinisches Konzept und Kaufpreis ausschlaggebend gewesen. Von einer “fatalen Fehlentscheidung“ sprach die grüne Fraktions-Vizin Ursula Helmhold. Ross-Luttmann habe „zum Schaden der psychiatrischen Versorgung, der Patientinnen und Patienten und der Beschäftigten gehandelt“ und zudem „in hohem Maße verfassungsrechtliche Unwägbarkeiten“ riskiert. Immerhin habe der „Druck der Opposition“ dafür gesorgt, dass der Kern des Maßregelvollzugs staatlich bleibe. ksc
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen