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Archiv-Artikel

Bewährung für Vater des Winnenden-Täters

URTEIL Angehörige der Opfer und die Opposition fordern: Keine Waffen mehr in Privatwohnungen

Von mah

BERLIN/STUTTGART taz/reuters/dpa | Knapp zwei Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden hat das Stuttgarter Landgericht den Vater des Amokläufers wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der 52-Jährige habe von den Tötungsfantasien seines Sohnes gewusst und trotzdem Waffe und Munition offen liegen gelassen, sagte der Richter am Donnerstag in seiner Urteilsbegründung. Es ist der erste Prozess in Deutschland, bei dem ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht stand und verurteilt wurde.

Der Unternehmer und Sportschütze musste sich seit September 2010 vor Gericht verantworten. Es war seine Pistole, mit der der 17-jährige Tim K. am 11. März 2009 15 Menschen an seiner ehemaligen Realschule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen tötete, bevor er sich selbst erschoss. Der Vater hatte die Waffe unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt und wurde nun der 15-fachen fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung in 13 Fällen und des Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig befunden.

Der vorsitzende Richter Reiner Skujat war überzeugt, dass der Angeklagte schon ein Jahr vor dem Amoklauf von den psychischen Problemen des Jugendlichen gewusst hatte. „Unter diesen Umständen hätte er seinen Sohn vom Schusswaffengebrauch abhalten müssen“, sagte Skujat in der Urteilsbegründung. Mit dem Strafmaß von 21 Monaten auf Bewährung blieb er unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Beim Prozess waren 43 Angehörige der Opfer als Nebenkläger aufgetreten. Sie zeigten sich bereits im Vorfeld enttäuscht darüber, dass der Angeklagte kaum im Gerichtssaal anwesend war und erst dann Reue bekundete, als sein Verteidiger auf Freispruch plädierte. „Und wenn es nur für ein Vierteljahr ist, aber er muss ins Gefängnis“, hatte Hardy Schober, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, vor dem Urteil gefordert. Gisela Mayer, Mutter eines Opfers und ebenfalls im Aktionsbündnis, sagte im ZDF: „Es gibt keine Gerechtigkeit, die diesen 15-fachen Mord in irgendeiner Weise sühnen könnte.“ Sie kritisierte, dass das Waffengesetz bis heute nicht ausreichend verschärft worden sei.

Auch die Bundestagsfraktion der Grünen fordert, dass Waffen und Munition nicht mehr in Privatwohnungen aufbewahrt werden dürfen, und hat einen entsprechenden Antrag im Bundestag eingebracht. Nach dem Amoklauf waren zuletzt im Juli 2009 die Kontrollen von Waffenbesitzern und Strafen bei Verstößen verschärft worden. MAH