Die Unsichtbare

Die Cutterin Bettina Böhler erhielt gestern den Bremer Filmpreis. Ein Gespräch über ein künstlerisches Handwerk

taz: Frau Böhler, Sie haben gestern den Bremer Filmpreis erhalten. Ist der Filmschnitt für Sie eher ein Handwerk oder eine schöpferische Arbeit?

Bettina Böhler: Grundsätzlich ist immer der Regisseur der Schöpfer eines Films, aber wie die Kameraleute oder Ausstatter sollten die Cutter nicht nur ihr Handwerk beherrschen, sondern auch eine künstlerische Begabung haben. Ein rhythmisches Talent ist zum Bespiel beim Schnitt sehr wichtig. Das ist oft intuitiv und hat etwas körperliches, und deshalb kann ich nie genau erklären, warum ich etwas nun genau in dieser Länge oder jenem Rhythmus geschnitten habe.

Es gibt ja verschiedene Arten des Filmschnitts. Sie gehören eher zu jenen, die das Unauffällige bevorzugen.

Das hängt eher von der Erzählweise des jeweiligen Films ab. Ich finde, innerhalb einer Sequenz sollte die Montage möglichst unsichtbar sein, weil man als Zuschauer in die Atmosphäre der Szene eingebunden werden soll. Bei einem Szenenwechsel oder Zeitsprung sollte der Schnitt aber spürbar sein.

Ist nicht für Regisseure der Schnitt auch immer ein schmerzhafter Prozess, weil sie sich nicht von ihren so mühsam gedrehten Aufnahmen trennen wollen?

Die Regisseure hängen natürlich an jeder gelungenen Aufnahme und jeder Drehbuchidee. Wenn man dann merkt, dass es nicht funktioniert, ist das sehr hart für sie. Und es ist dann meine Aufgabe, dieses dem Filmemacher möglichst schonend beizubringen. Ich denke, mindestens 50 Prozent meiner Arbeit ist reine Psychologie. Wenn die Regisseure das erste Mal den Rohschnitt ihrer Filme sehen, ist das immer ein Schock für sie. Und ich brauchte ein paar Jahre, um zu kapieren, dass dies nichts mit meiner Arbeit zu tun hat, dass ich nicht versagt habe, sondern dass dies einfach ein Moment der Wahrheit für den Künstler ist, den er verdauen muss.

Sie gelten ja als eine Art Muse der so genannten „Berliner Schule“. Ist diese nicht nur eine Erfindung von KritikerInnen?

Das ist ein bisschen bösartig, aber es könnte etwas dran sein. Aber ich sehe diese Filme auch als eine Gegenbewegung zum gefälligen Publikumskino, die eher aus einem Lebensgefühl heraus entstanden ist. Frappierend ist, dass diese Filme eine große Aufmerksamkeit in der Presse genießen, der aber die Zuschauerzahlen nie entsprechen. Aber ich meine, man muss alles tun, um diese Nischen zu erhalten.

Interview: Wilfried Hippen