Soundbites einer Revolution

Weil Protest auch eine Marke ist: Soll die Linkspartei ihre Hochschulgruppen in bewährter Tradition SDS nennen? Und warum trägt das 68er-Label überhaupt noch?

Die Hochschulgruppen der Linkspartei wollen an diesem Wochenende eine neue Studierendenorganisation gründen und manche plädieren dafür, die neue Gruppe gleich SDS zu nennen – nach dem legendären Sozialistischen Deutschen Studentenbund um Rudi Dutschke. Auch wenn einige gestandene Aktivisten darauf insistieren, eine linke Gruppe dürfe das Wort „deutsch“ heute nicht mehr im Namen führen, so wird sich schon ein Wort finden, das eben jenes Akronym „SDS“ gestattet (aus „Studierende“, „demokratisch“ und „Sozialismus“ müsste sich doch was machen lassen).

Das ist nicht unoriginell. Plötzlich erweisen sich die jungen Antikapitalisten damit als hervorragende Markenstrategen, die in trendigen Glas-Stahl-Beton-Büros globaler Powerbrands auch gut aufgehoben wären. Denn „SDS“, das ist, auch 36 Jahre nach der Auflösung des realen SDS, einfach immer noch eine coole Marke. Sie ist durchgesetzt und allgemein bekannt. Fast jeder assoziiert etwas mit ihr; und in dem, ja: Marktsegment, das die Zielgruppe einer linken Studentenorganisation bildet, sind es vor allem positive Assoziationen. Eine Marke und die dazugehörige „Markenpersönlichkeit“ müssen schließlich nach den Worten des britischen Branding-Gurus Wally Olins wie „ein Soundbite für eine möglichst große Gruppe ähnlich gesinnter Menschen“ unmittelbar verständlich sein.

Diesen Vorzug hat das Label „SDS“ zweifelsohne. SDS steht noch immer für Rebellentum, Verwegenheit, intellektuelle Schärfe und gesellschaftliche Utopien, die es im Hier und Jetzt einzulösen gilt. Wer wollte nicht eine solche „Corporate Identity“ kapitalisieren, zumal diese seit über 30 Jahren brachliegt?

Dabei ist es allerdings erstaunlich, dass das Label „SDS“ überhaupt noch ein anschlussfähiges Image hat. „Altachtundsechziger“ ist in weiten Kreisen, wenn schon kein Schimpfwort, dann bestimmt kein Attribut besonderer Hipness. Zudem: Die meisten anderen Marken aus den Jahren, in denen der SDS seine beste Zeit hatte, sind heute hoffnungslos verstaubt. Man denke nur an Dr. Oetker. Zuletzt ist der SDS in ziemlich grauenhaften Sektenkämpfen untergegangen, was aber offenbar die Marke selbst unbeschädigt gelassen hat.

Womöglich hat es eine innere Logik, dass die Kapitalismuskritiker so fest auf dem Boden des Kulturkapitalismus stehen. Nicht von ungefähr verdankt die Differenzkultur des Lifestylekapitalismus den rebellischen, gegenkulturellen Aufbrüchen der sechziger Jahre einiges. Nur eines sollte bedacht werden: Die Gefahr besteht, dass die Marke „SDS“ cooler ist als die real existierenden Linkspartei-Hochschulgruppen. Und nichts ist für eine langfristige Markenidentität schädlicher als eine Diskrepanz zwischen Verpackung und Inhalt. ROBERT MISIK