: Geteilter Bezirk
In Kreuzberg bilden sich teilweise Schlangen in den Wahllokalen. In Friedrichshain ist die Beteiligung mäßig
Zumindest hart gesottene Alt-68er konnte das Schmuddelwetter gestern Mittag nicht schocken. „Regen hat uns früher nicht vom Demonstrieren abgeschreckt“, sagt der 58-jährige Kreuzberger Helmut Winsner vor dem Wahllokal in der Graefestraße. „Der hält uns auch nicht von der Abstimmung für die Rudi-Dutschke-Straße ab.“
Dass das notwendige Quorum von 15 Prozent aller Wahlberechtigten am Ende des Tages überschritten wird, liegt vor allem an den Kreuzbergern. In den traditionell linksalternativen Wahlkreisen ist die Beteiligung rege. Um 13 Uhr haben im Wahllokal 172 im Graefekiez bereits 126 der rund 1.600 Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, sagt ein Wahlhelfer. Das sind knapp 8 Prozent. „Den Anlass finde ich ja nicht so wichtig“, sagte Wählerin Nummer 127. „Aber wenn ich schon gefragt werde, muss ich auch mitstimmen.“ Vor den Kabinen im Wahllokal 120 – rund um den Südstern – kommt es am Nachmittag zu ersten Schlangen.
Anders hingegen das Interesse auf der gegenüberliegenden Spreeseite. Geht es um bezirkliche Belange, machen die Friedrichshainer ihrem Ruf als Wahlmuffel Ehre. Bei den BVV-Wahlen 2001 und 2006 erschienen in den Wahlbüros durchschnittlich zwischen 40 und 60 Prozent der Wahlberechtigten. Auch an diesem Sonntag beim Bürgerentscheid sind es nicht gerade viele, die ihr Kreuzchen machten. Am frühen Nachmittag haben im Rathaus Friedrichshain von 4.300 Wahlberechtigten aus den Wahlbezirken 172 und 173 knapp 160 ihre Stimme abgegeben.
Auch in den Kneipen und den Restaurants entlang der Simon-Dach- und der Boxhagener Straße, wo sich die Szene ab 12 Uhr zum späten Frühstück oder dem ersten Bier eingefunden hat, war man in der Regel noch nicht wählen – man lässt sich aber die Option offen. „Wir machen beim Bürgerentscheid mit, wir votieren für die Straßenumbenennung“, sagt ein Pärchen im Café des Kinos „Intimes“.
Im Wahlkreis 102 entlang der Kochstraße sind viele Bürger direkt von der Namensänderung betroffen. Entgegen mancher Erwartung wohnen hier nicht nur Dutschke-Gegner. „Eine Kochstraße gibt es doch in jeder Stadt“, sagt eine 71-Jährige. „Eine Dutschkestraße hingegen wäre was Besonderes.“ ROLA, FLEE