„Ich fühle mich beleidigt“

Heute startet „Borat“, der neue Film von Sacha Baron Cohen („Ali G.“), in den deutschen Kinos. Borat, der fiktive kasachische TV-Reporter, diskriminiert alle: Juden, Frauen, Amerikaner – und Zigeuner

INTERVIEW DANIEL WIESE

taz: Herr Knudsen, was haben Sie gegen den Film „Borat“?

Marko D. Knudsen: Also erst mal finde ich die berühmt-berüchtigte Jeep-Szene sehr Magenschmerzen-produzierend.

Sie meinen die Szene, in der Borat einen Autoverkäufer fragt, was passiert, wenn er mit seinem Jeep in eine Gruppe Zigeuner fährt?

Nicht ganz. Er fragt, ob sein Jeep kaputtgeht, wenn er in eine Gruppe Zigeuner fährt, weil er sich dafür den Wagen kaufen möchte. Und im Film hat die Szene noch einmal eine stärkere Wirkung, weil er nachfragt, wie schnell er fahren müsste, um die Zigeuner wirklich totzufahren. Und wenn zu Gewalt aufgefordert wird, hört für mich Humor auf.

Die Figur Borat ist voller rassistischer Vorurteile …

Da haben Sie Recht.

aber muss man das so furchtbar ernst nehmen?

Wir sehen in dem Film stärker die Diskriminierung gegen uns, weil die anderen Opfergruppen, mit denen er Scherze macht, in dem Film auch als Personen auftreten. Die Juden oder auch die Feministinnen kriegen da ein Gesicht, und in diesen Szenen wird Borat dann selber zum Idioten. Darum regen sich diese Gruppen vielleicht auch nicht auf. Aber wir haben das Problem, dass er mit Gewalt gegen Roma und Sinti versucht, Scherze zu machen.

Borat ist doch eine Witzfigur.

Aber nicht jeder kennt ihn. Und wenn der Trailer mit der Jeep-Szene unkommentiert im deutschen Fernsehen läuft, weiß die Mehrheit der Bevölkerung nicht, was sie damit anzufangen hat. Was soll damit bewirkt werden? Dass der Begriff „Zigeuner“ wieder gesellschaftsfähig wird? Oder dass Gewalt gegen Roma bagatellisiert wird?

Aber wenn klar ist, dass Borat eine Witzfigur ist, kann man doch dem Film nicht unterstellen, dass er diese Ansichten propagiert.

Gut, aber ich kenne den Humor von Sacha Baron Cohen schon seit Jahren. Borat ist ja auch keine neue Figur, er hatte den schon früher in seiner Sendung eingesetzt. Aber da war dieser Charakter nie so offen rassistisch und fremdenfeindlich. Die Frage ist, was wollen wir erreichen? Sollen Zigeunerwitze wieder auftauchen in einem Europa, in dem unsere Leute tagtäglich erschlagen, diskriminiert, verfolgt werden? Das ist geschmacklos.

Sie glauben, dass Sacha Baron Cohen diese Einstellungen wirklich vertritt?

So weit möchte ich nicht gehen. Er wollte einfach einen albernen Charakter schaffen. Aber dass eine große politische Motivation dahinter ist, dass sich die Gesellschaften mit Rassismus und Diskriminierung auseinander setzen, das bezweifle ich.

Na ja, der Film zeigt einen Typen voller Vorurteile. Er kommt aus einem finsteren Land, und er ist ein bisschen bescheuert. Eigentlich wird diese Figur in dem Film doch denunziert.

Wie wollen Sie dann erklären, dass Cohen so massiv über Zigeuner herzieht und auf der anderen Seite den Anfang, der eigentlich in Kasachstan spielen soll, in einem Roma-Ghetto dreht, in dem er die Roma auf Englisch beschimpft? Die verstehen davon kein Wort! Ich bezweifle sehr, dass unsere Community dort wusste, was Cohen vorhatte.

Eigentlich müssten sich dann aber doch die Kasachen beleidigt fühlen. Und die Amerikaner, weil er sie als Menschen mit dumpfen Einstellungen vorführt.

Ich kann nur sagen, wovon ich mich beleidigt fühle. Und diese öffentliche Kampagne ging für uns zu weit. Wenn ich lese, dass Cohen Werbung für einen witzigen Film macht, und dann steht auf der Internetseite, „willst du schöne Goldschmuck haben, kannst du nehmen aus Mund von tote Zigeuner“, kriege ich eine Gänsehaut.

Natürlich ist das geschmacklos. Die Frage ist doch bloß, ob der Film das nicht implizit selbst verurteilt, indem er diese Figur Borat so absurd darstellt.

Das ist allerdings die Frage! Wie absurd ist dieser Charakter für Zwölfjährige, die mit Ressentiments gegen Sinti und Roma aufwachsen? Deswegen mussten wir reagieren. Das dürfte speziell in Deutschland mit seiner NS-Vergangenheit nicht als Scherz durchgehen.