: „Wir brauchen klare Ziele“
JEMEN Anissa Noman ist skeptisch: Das Land ist fragil, Fehden drohen, und Aktionismus allein hilft nicht
Anissa Noman stammt aus Sanaa. Den wahren Namen und ihr Foto will sie zur Sicherheit nicht veröffentlichen
VON ANISSA NOMAN
Ich lebe derzeit nicht in Sanaa, aber ich stehe in engem Kontakt zu meiner Heimat. Meine Landsleute protestieren gegen die Regierung, weil sie unter den jahrelang angestauten wirtschaftlichen Problemen leiden. Die Folgen des wirtschaftlichen Abstiegs bekommen wir alle deutlich zu spüren: Der Rial, unsere Währung, ist immer weniger wert, die Preise steigen ständig, vor allem für Nahrung und Medikamente. Die Masse der Bevölkerung kann die eigene Familie kaum über die Runden bringen und lebt im Durchschnitt von 3 Dollar am Tag!
Allerdings glaube ich, dass die Jemeniten am Zustand ihrer Wirtschaft nicht unschuldig sind, zum Beispiel, weil sie so viele Kathblätter konsumieren. Zum Klatschen braucht man bekanntlich zwei Hände, also müssen Regierung und Bevölkerung begreifen, dass sie die Wirtschaft des Landes nur gemeinsam voranbringen können.
Mein Gefühl sagt mir, dass die Regierung früher oder später aufgeben wird. Allerdings bezweifle ich stark, dass wir im Jemen erst eine funktionierende Übergangsregierung und dann die Demokratie bekommen werden. Der Jemen ist von den Stämmen geprägt – selbst wenn die Regierung zurücktritt, werden diese gegeneinander um die Macht kämpfen, so wie das in Somalia passiert ist. Das könnte zu einem Bürgerkrieg führen, schließlich sind hier die meisten Stämme schwer bewaffnet.
Ich finde, bevor wir gegen die Regierung aktiv werden, sollten wir klare Ziele und Pläne für die Zukunft haben. Aktionismus wird nur zu Blutvergießen führen und unser Land in eine Katastrophe stürzen, aus der wir vielleicht nicht mehr herausfinden werden.
■ Was sagen die bekanntesten ägyptischen Twitterer noch?
■ „Staatsanwalt Abdel Magid Mahmud sollte freiwillige Rechtsanwälte anheuern, um all diese Berichte zu bearbeiten, die sein Büro überfluten.“ Zeinobia, 9.529 Follower, 12. 2.
■ „Unterstützt die ägyptische Ökonomie. Fliegt Egypt Air!“ Wael Ghonim, 82.391 Follower, 14. 2.
■ „Nein, ich bin TOTAL dagegen. Anstatt unsere Zeit damit zu verschwenden, mit Mubaraks Generälen zu sprechen, sollten wir für Streiks #egyworkers agitieren“ Hossam (3arabawy), 15.269 Follower, 14. 2.
■ „Wie wäre es, wenn wir ein Demokratiemodell wie Tahrir schaffen, basierend auf sozialem Engagement & Mitarbeit, ohne irgendjemand zu irgendwas zu zwingen?“ Mahmoud Salem (Sandmonkey), 25.727 Follower, 14. 2.
■ „Toll, wie #Egyptians die Punkte der Verfassung diskutieren, die sie betreffen. Ich überlasse das euren sicheren Händen und schlafe ein bisschen. Später!“ Mona Eltahawy, 27.354 Follower, 16. 2.
■ „Ich bin eine atheistische, homosexuelle Minderheit und bin gegen Artikel 2 in Ägyptens Verfassung & du?“ IceQueer, 437 Follower, 16. 2. Protokoll: (da)
Ich sehe uns in einem Dilemma: Wir brauchen Reformen, aber vorschnelle Reformen könnten uns ins Chaos stürzen, statt zum Fortschritt zu führen, vor allem dann, wenn diese weder transparent noch organisiert durchgeführt werden. Ich frage mich, ob wir Jemeniten es schaffen, diese Kriterien zu erfüllen und den derzeitigen politischen Jemen organisiert und transparent zu reformieren. Ich bezweifle es.
PROTOKOLL: KERSTIN GRIESSMEIER