: „Wir brauchen keinen Führer“
6. APRIL Es gehe darum, die Mentalität junger Leute zu verändern und sie dazu zu bewegen, sich am politischen Leben zu beteiligen, sagt Ahmed Maher. Er ist ein maßgeblicher Organisator der Demos vom Tahrir-Platz
Ahmed Maher, Jahrgang 1980, Ingenieur, Gründer der Jugendbewegung 6. April Foto: privat
INTERVIEW BEATE SEEL
taz: Herr Maher, Sie sind einer der Gründer der „Jugendbewegung 6. April“, die über Facebook zu einer Demonstration am 25. Januar aufgerufen hat. Nach 18 Tagen ist Präsident Husni Mubarak zurückgetreten. Haben Sie ihre Ziele erreicht?
Ahmed Maher: Wir haben es noch nicht erreicht, sind aber auf dem Weg dahin. Wir räumen die Straßen auf und sagen den Leuten, wie sie dafür sorgen können, dass ihr Land „sauber“ bleibt. Wir versuchen, die Menschen zu motivieren, und geben ihnen Anregungen, wie sie ihr Land verändern können. Wir wollen auch die Mentalität junger Leute verändern und sie dazu bewegen, sich am politischen Leben zu beteiligen. Das ist unser Ziel. Wir klären die Leute außerdem über unsere Bewegung auf.
Wie werden Sie sich jetzt organisieren, nachdem die Demonstrationen vorbei sind?
Wir haben keinen Anführer. Alle von uns versuchen, ihr eigenes Umfeld zu organisieren. Jeder ist sein eigener innerer Anführer und versucht, die Ziele zu verbreiten.
Nun hat der Oberste Militärrat die Macht übernommen, aber das Militär ist Teil des alten Systems. Ist es die richtige Institution, um den Übergang zur Demokratie zu organisieren?
Nein, das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass das Militär versucht, nach der Art des alten Systems vorzugehen, während sich unsere Bewegung sehr schnell weiterentwickelt hat. Wir wollen, daß die Armee unsere Bewegung unterstützt, damit der richtige Weg in Richtung eines schnellen friedlichen Übergangs und sozialer Gerechtigkeit eingeschlagen wird.
Der Militärrat hat sich am Sonntag mit Aktivisten vom Tahrir-Platz getroffen. Einige haben sich hinterher sehr angetan geäußert. Sie waren nicht dabei. Was aber halten Sie von diesem Treffen?
Jeder hat seine eigene Meinung und ich respektiere sie.
Die Leute auf dem Tahrir-Platz haben sich sehr gut selbst organisiert. Hatten Sie dafür Vorbilder?
Wir haben uns um die Verpflegung und um die Sicherheit auf dem Platz gekümmert. All das sind Beispiele und Vorbilder. Wir haben uns an keiner Organisation orientiert.
Auf dem Tahrir-Platz gab es keine organisierte Führung der Demonstranten. Halten Sie das heute für ein Problem, nachdem Mubarak weg ist?
Meiner Meinung nach ist es kein Problem, keine Führung zu haben. Im Gegenteil, es ist eine gute Sache. Wenn wir einen Anführer hätten, hätten wir eher ein Problem bekommen, schätze ich. Er hätte seine Meinung, und wir unsere. Wir haben keinen Anführer, wir gehen von uns selbst aus, und das ist das Richtig.
Es gibt Berichte über die Gründung einer „Jugendkoalition“. Andere wiederum berichten von einem „Komitee zur Verteidigung der Revolution“. Worum geht es dabei?
Dabei geht es um die Belange der Jugend, darum, unsere Zukunft zu gestalten und das Land in Bwegeung zu bringen.
Steht der 6. April mit anderen Organisationen weiterhin in Kontakt?
Ja, beispielsweise mit der Gruppe „Justiz und Freiheit“ oder der „Nationalen Vereinigung für den Wechsel“ von Mohammed al-Baradei.
Für Freitag rufen Sie zu einer weiteren Demonstration auf. Warum?
Wir wollen am Freitag unseren Sieg feiern.
Sie haben doch am 11. Februar schon gefeiert.
Wir feiern, aber wir werden auch die Militärführung unter Druck setzen, im Sinne der Bewegung zu handeln und den richtigen Weg einzuschlagen.