: Afrikanische Union streitet über Sudan
In Äthiopien beginnt heute der AU-Gipfel. Er muss das Begehren der sudanesischen Regierung nach der Übernahme der Präsidentschaft abwehren und Antworten auf die Krise des Staatenbundes finden. Diese zeigt sich aktuell im Fall Somalia
VON DOMINIC JOHNSON
Wenn sich Afrikas Staats- und Regierungschefs ab heute in Äthiopien zum Gipfel der Afrikanischen Union (AU) treffen, haben sie es in der Hand, ob sich der vor sechs Jahren mit großem Pomp gegründete Staatenbund endgültig überflüssig macht. Ein Großteil der zweitägigen Beratungen dürfte damit gefüllt sein, zu vermeiden, dass Sudan turnusgemäß die rotierende Präsidentschaft der AU übernimmt.
Sollte dies doch geschehen, haben die Rebellen im sudanesischen Darfur bereits angekündigt, aus allen Bemühungen um neue Friedensgespräche auszusteigen und wieder allein auf Krieg zu setzen. Und von den USA bis Norwegen ertönen Warnungen vor einem „Glaubwürdigkeitsverlust“ der AU. Denn ausgerechnet Sudans Präsident Omar el-Beshir, dessen Regierung in Darfur für brutale ethnische Säuberungen verantwortlich ist, wäre dann politischer Chef der 7.500 Mann starken AU-Friedenstruppe, die in Darfur den „Waffenstillstand“ überwachen soll und dieses Jahr von der UNO verstärkt wird.
Beshir hätte schon beim AU-Gipfel von Januar 2006 in Sudan die Präsidentschaft übernehmen sollen, doch angesichts des Dramas in Darfur einigten sich die Staatschefs stattdessen auf Denis Sassou-Nguesso, Präsident von Kongo-Brazzaville. Sudan werde 2007 drankommen, wenn die Lage in Darfur sich verbessert habe, beschlossen sie. Nun hat sich die Lage in Darfur eher verschlechtert, aber Sudans Regierung beharrt lautstark darauf, sie werde keine weitere Verschiebung akzeptieren. Im Gespräch ist nun Tansania.
Es geht bei dem Streit um mehr als die weitgehend symbolische AU-Präsidentschaft. Auf dem Prüfstand steht die Handlungsfähigkeit einer Organisation, die seit ihrer Gründung 2001 und seit der Schaffung neuer Institutionen nach EU-Vorbild wie die AU-Kommission 2003 kaum eine der in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt hat. Der erste AU-Kommissionpräsident Alpha Oumar Konaré, geachteter Expräsident Malis, hat bereits kundgetan, dass er diesen Sommer nicht erneut kandidieren will – ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Konaré war mit großen Plänen angetreten: Ein Budget von 600 Millionen Dollar im Jahr sollte Kommission, Sicherheitsrat und Parlament der AU zu tatkräftigen Foren panafrikanischen Fortschritts machen. Die afrikanischen Staaten bewilligten ihm nur 70 Millionen, die sie nicht einmal vollständig zahlen. Zum Vergleich: Die EU verfügt jedes Jahr über ein Budget von 120 Milliarden, mit der Hälfte der Bevölkerung der AU.
Fragen nach der Effektivität von AU-Friedenstruppen sind daher leicht unter Verweis auf fehlendes Geld zu beantworten. Bisher zahlte für AU-Militäroperationen die EU mit ihrer „Friedensfazilität“ 250 Millionen Euro aus dem Entwicklungshilfehaushalt. Dies wird nicht in der bisherigen Form verlängert werden. Neuerdings stellt die EU politische Bedingungen für die Finanzierung afrikanischer Friedensmissionen. 15 Millionen Dollar für die geplante AU-Truppe in Somalia gibt es nur, wenn die neue Regierung Schritte zur politischen Versöhnung einleitet – eine Kondition, die Somalia bereits erzürnt abgewiesen hat. Zur AU-Truppe in Darfur beschloss die EU letzte Woche zwar weitere Finanzhilfen, bat aber auch andere internationale Organisationen um Beiträge. Die AU-Außenminister beschlossen diese Woche, neben der bereits laufenden logistischen Aufstockung der AU-Darfur-Truppe auch UN-Gelder zu beantragen.
Wie das Warten auf Hilfe von außen Handlungsfähigkeit lähmt, zeigt der Stillstand der AU im Fall Somalia. Im Dezember hatte der UN-Sicherheitsrat der AU dort ein Eingreifmandat erteilt, und am 19. Januar beschloss der AU-Sicherheitsrat die Entsendung von 7.500 Soldaten. Sie sollen die in Somalia stationierte äthiopische Armee ablösen, die im Dezember die heutige Regierung an die Macht brachte. Bislang haben aber nur Uganda 1.500 Soldaten und Malawi eine unbestimmte Anzahl zugesagt. Geld gibt es noch keines, und frühestens im März dürften die ersten Soldaten in Somalia landen. Mehr als 2.500 werden es wohl nicht, schätzen Beobachter. Nach sechs Monaten will die AU die Mission wieder an die UNO weitergeben. Ein unverzichtbarer Staatenbund sieht anders aus.