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Archiv-Artikel

Saure Milch dank Tensiden

Ein halbes Jahr nach den PFT-Funden im sauerländischen Trinkwasser bietet das Umweltministerium die Untersuchung von Muttermilch an. Eine Prognose ist noch nicht möglich

von CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Das lange Warten hat ein Ende. Seit dieser Woche können stillende Frauen in Nordrhein-Westfalen ihre Muttermilch kostenlos auf perfluorierte Tenside (PFT) testen lassen. Damit reagiert Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) auf die erhöhten PFT-Werte, die im Sommer vergangenen Jahres entlang der Flussläufe von Ruhr und Möhne gemessen wurden. PFT steht im Verdacht, Krebs erregend zu sein und kann nur schwer abgebaut werden.

„Die Untersuchungen kommen zu spät“, findet Susanne Ulmke, Sprecherin der Grünen in der Ruhrstadt Arnsberg. Der kleine Ortsverband hatte bereits im Oktober 2006 in einem Brief an Umweltminister Uhlenberg eine breit angelegte Untersuchung der Muttermilch auf PFT gefordert. Auslöser war der Fund von 10 Mikrogramm in der Muttermilch einer Frau aus dem Stadtgebiet Arnsberg, das ist das 20-fache des für Trinkwasser vorgesehene Vorsorgewerts von 0,5 Mikrogramm. Einen Monat zuvor hatte das Landesgesundheitsamt Niedersachsen bekannt gegeben, dass bei einer Untersuchung an 103 Frauen eine PFT-Konzentration gemessen wurde, die den Grenzwert um das acht- bis 24-fache überstieg.

Das damals vom Fraunhofer-Institut angewandte Verfahren geriet in der Folgezeit in die Kritik, weil die Messergebnisse andernorts nicht wiederholt werden konnten. In Nordrhein-Westfalen wurde deshalb ein erweitertes Verfahren entwickelt, wie Thorsten Bernsmann vom Chemischen Landesamt in Münster mitteilt, der die Untersuchungen durchführt. PFT ist in der Muttermilch schwer nachzuweisen, weil es sich nicht an Fett bindet.

Das neu gestartete Projekt soll über den Zeitraum von mindestens einem Jahr verlässliche Daten sammeln. Interessierte Frauen bekommen vom Landesamt ein Röhrchen für die Muttermilchprobe zugeschickt, die Auswertung werde innerhalb „von zwei oder drei Arbeitstagen“ erfolgen, verspricht Bernsmann. Problematisch sei jedoch die Alltagsbelastung.

Das Labor muss darauf achten, dass die Röhrchen keinerlei Belastung aufweisen. Zum Beispiel kann die Verwendung von Milchpumpen problematisch sein, wenn diese mit Teflon versiegelt sind. Die Antihaftbeschichtung ist eine der Hauptanwendungen von PFT. Trotz dieser Hürden zeigt sich der Wissenschaftler optimistisch: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Belastung in der Muttermilch über die normale Hintergrundbelastung hinausgeht.“ Genauere Prognosen seien jedoch schwierig, weil erst untersucht werden müsse, welcher Anteil an PFT im Körper angelagert werde und welcher wieder ausgeschieden wird. Das geringe Wissen hat einen Grund. PFT wird immer noch in der Produktion verwendet, Untersuchungsergebnisse aus der Industrie dringen daher nur schwer nach außen. „Da ist viel Do-it-yourself dabei“, beschreibt Bernsmann sein Vorgehen.

Einhelliger Konsens herrscht jedoch in der Frage eines Abbruchs der Stillzeit. Mediziner empfehlen eine Stillzeit von vier bis sechs Monaten, nach der sich Gehirn und Immunsystem des Säuglings fertig ausgebildet haben. Der Einsatz von Muttermilchersatz wird nur für den Notfall empfohlen. Bei einem auffälligen Testergebnis wird die Landesregierung Beratung anbieten. Wissenschaftler Thorsten Bernsmann verspricht: „Wir werden die Frauen nicht alleine lassen.“

Im Umweltministerium plant man daher, den betroffenen Frauen eine individuelle Empfehlung für oder gegen das Stillen zu geben, sagt Ministeriumssprecherin Susanne Raddatz. „Da müssen die Nachteile einer vorzeitigen Beendigung der Stillzeit mit den Vorteilen einer geringeren PFT-Aufnahme abgewogen werden.“