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Archiv-Artikel

Bacchantisches Trinkvergnügen

AUFSTEIGER DES JAHRES Das fränkische Weingut Augustin beweist, dass man in Deutschland auch für relativ wenig Geld erstklassige und moderne Weißweine bekommen kann

Klare, authentische Frankenweine, die die Leute durchaus auch mal überraschen

VON STEPHAN REINHARDT

Sulzfeld gehört nicht unbedingt zu den allerersten Adressen Weinfrankens. In den letzten fünf, sechs Jahren aber hat sich in dem mittelalterlichen, von einer Stadtmauer umgebenen Maindorf zwischen Würzburg und Volkach einiges getan. Der Zehnthof der Familie Luckert erzeugt auf traditionelle Art (Spontanvergärung, großes Holzfass, langes Hefelager) moderne Frankenweine, die verlässlich „fränkisch“ trocken sind, zu den besten im Gebiet zählen, allen voran die Silvaner und Weißburgunder, aber auch Riesling, Muskateller und Müller-Thurgau sowie die verblüffend feinen und zugleich komplexen Rotweine aus den Sorten Früh- und Spätburgunder. Ansonsten wusste bislang nur noch das wunderschöne Weingut Brennfleck mit ebenfalls modernen, sehr fruchtgeprägten Sulzfelder Weißweinen Kritiker wie Kunden zu bezirzen.

Neuerdings aber macht ein dritter Betrieb von sich reden – das Weingut Augustin. In der aktuellen Ausgabe des Gault Millau WeinGuide Deutschland wurde Arno Augustin, der den elterlichen Betrieb doch gerade erst übernommen hatte, zum deutschen „Aufsteiger des Jahres 2011“ gekürt. Derlei Auszeichnungen sind zwar in der Regel ebenso ungerecht wie gerecht, denn es gibt an so vielen Orten in Deutschland junge, aufstrebende Winzer mit gleichermaßen vorzüglichen Weinen. Aber einen Anstoß, die Weine eines neuen oder wenig bekannten Produzenten wenigstens einmal zu probieren, geben derlei Titel doch in jedem Fall. Und deshalb sollte man froh sein, dass es sie gibt.

Also Augustin. Arno Augustin, 36 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Frau Verena bewirtschaftet der in Geisenheim zum Diplom-Önologen ausgebildete Winzer im fränkischen Sulzfeld 11 Hektar Reben, darunter die klassischen fränkischen Weißweinsorten Rivaner (Müller-Thurgau), Silvaner, Weißer Burgunder und Bacchus, aber auch rote Varietäten wie Spätburgunder, Schwarzriesling und – ganz unfränkisch – Merlot. „Wir machen Weine ohne Tamtam, aber mit Gefühl“, sagt Augustin, der beim Weinmachen sein erlerntes Wissen ebenso berücksichtigt wie sein Bauchgefühl. Und natürlich eine klare Vorstellung von dem hat, was er will: „Klare, authentische Frankenweine von hoher Qualität und mit einem Charakter, der die Leute durchaus auch mal überraschen darf.“

Gerade das gelingt Augustin vortrefflich. Zum Beispiel mit dem auf den klassischen Bocksbeutel gezogenen Bacchus vom Muschelkalkboden. Wer trinkt schon Bacchus? Zumeist lieblich ausgebaut, federleicht und hauchdünn, wird er vor allem auf Weinfesten ausgeschenkt, denn er macht kaum trunken. Gourmets aber wissen mit einem solchen Bruder Leichtfuß nichts anzufangen. Sie sollten aber den 2009er Bacchus Kabinett von Augustin mal kosten: Er ist nicht nur trocken, sondern auch füllig und ausdrucksvoll wie noch selten ein Bacchus. Sein klares, fruchtiges Bouquet erinnert an reife Kiwis, Grapefruit und Mango, und am Gaumen zeigt er einen vollmundigen Schmelz mit angenehmer Frucht und feinem Säurespiel. Der Körper ist wie der Nachhall: durchaus kräftig und doch animierend. Es ist ein Klasse-Bacchus für den späten Vormittag und eine ganzjährige Alternative für alle gelangweilten Sauvignon-blanc-nesen.

Was Bacchus kann, kann der Silvaner, Frankens Nationalheiliger, schon lange. Augustins trocken ausgebauter Silvaner Spezial „S“ des Jahrgangs 2008 ist jedenfalls noch besser und dabei nicht weniger überraschend. Sein klares und feines Bouquet ist zwar noch etwas vom Hefelager geprägt und weist anfangs burgundische Züge auf. Doch mit zunehmendem Luftkontakt entwickelt dieser gelbgoldene Wein dann doch die typischen fleischig-tropischen Aromen von reifen Silvanerbeeren. Sie bleiben jedoch dezent und so wächst der Eindruck, einen exzellenten Wein vor der Nase zu haben – und endlich auch im Mund! Dass ein Silvaner Fülle und Konzentration besitzen kann, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Dass er aber derart klar, mineralisch, salzig und geradlinig auf ein langes, ausdrucksvolles Finale zustürmt, ist selbst unter Spitzenweinen eine ungewöhnliche Qualität. Dieser in Burgunderflaschen gefüllte Wein ist faszinierend vielschichtig und perfekt balanciert und sollte jeden erstaunen, der bislang nichts über einen guten Chardonnay aus Burgund kommen ließ. Der zarte, bis zum Finale andauernde Hefeton erinnert sogar an feine, weinige Champagner! Dieser Silvaner aus dem gemäßigten Jahrgang 2008 ist zweifellos eine Bereicherung für Franken und jeden für Überraschungen offenen Weinkeller.

Insgesamt bis zu 70.000 Flaschen füllt das Weingut Augustin pro Jahr, die meisten davon werden ab Hof oder über den Onlineshop verkauft. Vom momentan ausgebauten 2010er werden ab diesem Frühjahr allerdings beträchtlich weniger Flaschen auf den Markt kommen. „Das Wetter meinte es einfach nicht gut mit uns“, sagt Augustin. Zu viele Trauben mussten fortgeschmissen werden, um die Qualität der guten nicht zu gefährden. „Der 2010er wird daher wieder ein guter Jahrgang“, beruhigt der Winzer, der sich mit niedrigen Erträgen, intensiver Laubpflege und selektiver Handlese frei macht von Jahrgängen, die zu früheren Zeiten als schlechte gegolten hätten. „Einen qualitativ schlechten Jahrgang kann sich heute kein guter Betrieb mehr leisten“, so Augustin, dessen Weingut zweifellos zu den guten im Lande zählt. „Das Faszinierende am Wein ist ja auch, dass sich in ihm die Eigenarten der einzelnen Jahrgänge spiegeln, dass er aber bei entsprechender Umsicht und Pflege über alle Jahre hinweg konstant gute Qualitäten liefern kann“, so Augustin.

Ob 2010er so gut werden wie die 2009er und 2008er, wird sich zeigen. Aber noch gibt es ja glücklicherweise die älteren Augustin-Jahrgänge. Die schmecken nicht nur immer noch taufrisch, sondern erreichen so langsam erst ihren besten Genusszeitpunkt.

■ Probierpaket „Entdeckung des Jahres“ für 30 Euro (inkl. Porto & Verpackung) mit je einer Flasche Augustin Spezial „S“, Riesling Kabinett trocken und Bacchus Kabinett trocken über: Weingut Augustin, Raiffeisenstraße 5, 97320 Sulzfeld am Main, Tel: (0 93 21) 56 63, info@weingut-augustin.de, www.weingut-augustin.de Bezugsquelle Berlin: Weingewölbe Berlin-Tempelhof, General-Pape-Str. 30, 12101 Berlin, Tel. (0 30) 78 09 01 00, info@weingewoelbe-berlin.de, www.weingewoelbe-berlin.de