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NOEMI MOLITOR
Weiter geht der Kampf um die Migrationsstadt Berlin. Bewegungsfreiheit für alle, fordert die politische Bewegung, nicht nur für die mit dem richtigen Pass. Die falschen Papiere, und schnell sind Flughäfen nicht Urlaubsschaltstelle, sondern Abschiebeort. Gut gewählt also der Ort der Installation „Haus der 28 Türen“ der Künstlergruppe Bewegung Nurr: das Tempelhofer Feld. Wenn wir 100% Tempelhofer Feld schaffen, muss es doch auch möglich sein, 100% Bleiberecht für alle, die hier leben wollen, zu erstreiten. Die Kunst macht mit, angefangen beim visuellen Verarbeiten der Ausschlussverfahren und Widerstandsstrategien. Die 28 Türen der Nurr-Installation, so viele wie die derzeitigen EU-Mitgliedsstaaten, scheinen einen hermetisch abgeriegelten Kreis zu bilden. Doch sie erlauben Zugang zum Rondell, der Blick wird auf einen Freiraum in der Kuppel gelenkt. Drei Videobildschirme bringen Interviews mit Flüchtlingen in diese nachgebaute EU (26. 7. bis 10. 8., Eingang Oderstraße).
Als Auftakt zu dem Ganzen findet Donnerstag Abend im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien die Veranstaltung „Neues Europa, Festung Europa? Wenn Kunst die Politik treffen will“ statt, inklusive Videoinstallationen, Musik und einer Performance des Impulse-Refugee Club Berlin. Auf dem Podium diskutieren die Künstlerin und Autorin Brigitte Kuster, der Künstler Alekos Hofstetter, der Autor Deniz Utlu und Kunsthistoriker Jens Meinrenken. Wie kann eine migrationspolitisch ausgerichtete Kunst ohne Instrumentalisierung auskommen? Ebenso wichtig werden sicher die Versuche des Kapitalismus sein, Migration zu instrumentalisieren. Doch sie lässt sich nicht vereinnahmen und schon gar nicht von Grenzen aufhalten (19 Uhr, Mariannenplatz 2; weitere Veranstaltungen unter: www.28doors.eu).
Andernorts geht es um Bewegung im Raum: Die „Nervous Trees“, zwei „nervöse Bäume“ von Kristof Kinteras in der Galerie Schleicher/Lange, legen unberechenbare Wege zurück. Dreieinhalb Meter hohe Baumgerippe stehen Kopf, in der so entstandenen Wurzelkrone je eine aufblasbare Weltkugel. Wer die Kratzspuren auf dem Boden übersieht, wird im nächsten Moment von einem Rappeln und Wackeln erschreckt: Die Äste scharren einem Algorithmus folgend über den Boden, erst kläglich zitternd, dann stacheln sie sich gegenseitig an und rattern so heftig umher, dass sie den Beton zerkratzen. Ein melancholisches Murren entsteht, gefolgt von lautem Schleifen. Am Ende kann man den nächsten Bewegungsmoment dieser Erdbälle auf Beinen kaum abwarten (bis 26. 7., Di–Sa, 11–18 Uhr, Markgrafenstr. 68).