Sehnsuchtssport, Sehnsuchtsfilme

SURF-FILM Der große Hype ist lange vorbei, doch die Filme beim Nord-Nordost-Festival suchen noch immer nach der perfekten Welle und dem besonderen Lebensgefühl einer globalen Subkultur

Doch so schnell die Surf-Welle gekommen war, ebbte sie als Mode auch wieder ab

VON LARS PENNING

Als Massenphänomen war dem Surfen nur eine kurze Zeitspanne beschieden. Denn es brauchte eine wohlhabende Freizeitgesellschaft, um zu popularisieren, was eine kleine In-Crowd bereits seit den frühen 1950er Jahren in Südkalifornien und auf Hawaii unermüdlich betrieben und in filmischen Eigenproduktionen propagiert hatte.

In den späten 1950ern war es schließlich so weit: Für einige Jahre wurde das einmal von den Polynesiern erfundene und via Hawaii in die USA gebrachte Wellenreiten zum beliebtesten Freizeitsport der weißen amerikanischen Jugend. Und das nicht zuletzt, weil sich die Klischees von Strand, endlosem Sommer und „two girls for every guy“ so gut in Filmen und auf Schallplatten vermarkten ließen: Davon konnte man insbesondere auch dann träumen, wenn man in Wirklichkeit in Montana hinter den sieben Bergen lebte.

Doch so schnell die Surf-Welle gekommen war, ebbte sie als Mode auch wieder ab, und ab Mitte der 1960er Jahre machten Wellenreiter allenfalls noch dann Schlagzeilen, wenn sich zufällig mal wieder ein Hai in ein Board oder den dazugehörigen Besitzer verbissen hatte. Heute ist das Surfen im Grunde wieder dort angekommen, wo es – in der weißen Kultur – einst gestartet war: als eine von Enthusiasten betriebene, allerdings mittlerweile längst nicht mehr auf die USA beschränkte Subkultur, in der einige Magazine und Equipmentläden Zusammenhalt und Orientierung bieten.

Auch die Szene der Surffilmer, die mit ihren Werken über kleine Festivals touren, ist nach wie vor aktiv: Jenseits eines größeren kommerziellen Verwertungsdrucks entstehen immer wieder Dokumentationen über legendäre Surf-Protagonisten, die schönsten Küsten mit der perfekten Welle sowie das Surf-Lebensgefühl im Allgemeinen.

Hier setzt natürlich auch das Surf Film Fest Berlin an, dessen Screenings ab 24. Juli im Freiluftkino Mitte (beim Central-Kino) stattfinden und einen guten Überblick geben über das, was den Surfer heutzutage beschäftigt: Reise- und Expeditionsdokumentationen wie „Se7en Signs“ (sechs Filmemacher besuchen sechs verschiedene Länder) und „Russia“ (die Halbinsel Kamtschatka wird als Surfspot am Pazifik entdeckt) blicken auf alte und neue Orte zum Wellenreiten.

Und auch Filme über das Skaten, mit dem das Bürgersteig-Surfen das Pflaster der Großstädte erreichte, gehören zum Programm des Filmfestivals („Deathbowl to Downtown“, „Danger Dave“).

Doch nichts geht über das originale Wellenreiten: Die Dokumentation „Splinters“ etwa erzählt davon, wie das Surfen einst bei der einheimischen Bevölkerung von Papua-Neuguinea angekommen war. Inspiriert von einem einzigen weißen Surfer in den 1980er Jahren, gründeten die Menschen in einem kleinen Küstenort Surf-Clubs: Heute werden in der abgelegenen Region nationale Meisterschaften veranstaltet, Tourismuspläne gehegt und die Frauenemanzipation in der traditionell patriarchalischen Stammesgesellschaft durch Surferinnen vorangetrieben.

Der schönste Film des Festivals aber ist zweifellos die Dokumentation „The Old, The Young and the Sea“ des österreichischen Regisseurs Mario Hainzl. Sie rollt einerseits in faszinierenden Bildern die Geschichte des europäischen Surfens an der Atlantikküste von Biarritz (der erste Surfer dort war 1955 der deutschstämmige Hollywood-Drehbuchautor Peter Viertel) bis nach Portugal auf, andererseits fängt sie aber auch das Lebensgefühl heutiger Surfer ein, die – jenseits der wenigen Professionals – Surfen vor allem als ein alternatives, freiheitliches Lebenskonzept begreifen: In den Campingbus steigen, einfach losfahren und in fremde Kulturen eintauchen kann ja letztlich jeder. Das gilt umso mehr, wenn man gesehen hat, wie sich auch ein doppelt beinamputierter Protagonist den Spaß am Surfen einfach nicht nehmen lässt: Das Gefühl, das gewaltige Element Wasser für kurze Zeit spielerisch zu bezwingen, ist übermächtig.

■ Surf Film Fest Berlin, Freiluftkino Mitte, Rosenthaler Str. 39, ab 24. 7. www.berlinsurffilmfestival.de