Kids haben keine Ziele

Bei dem Versuch, Deutschlands Jugend zu basketballisieren, stößt NBA-Star Detlef Schrempf auf Probleme  ■ Von Nina Klöckner

Oberhaching (taz) – Der Mann im Fernsehen sieht gefährlich aus. Der finstere Blick läßt seine Augen zu Schlitzen schmelzen, die die Pupillen nur noch erahnen lassen. Die Haare stehen ihm zu Berge, als hätte er jedes einzeln in die Steckdose gehalten. Mit grimmiger Stimme berichtet er von seinen waghalsigen Taten. Er zieht die Zuschauer spielend in seinen Bann. Nach 30 Sekunden hat auch der letzte kapiert. Dieser Mann ist eine Bedrohung: Dieser Mann ist Det, „The Threat“.

Es ist ein netter Versuch der Werbemacher, dem Basketballer Detlef Schrempf das geeignete Bösewicht-Image für die NBA zu verpassen. Doch der leibhaftige Schrempf vermag so recht keinen Schrecken zu verbreiten, allein die Größe wirkt bedrohlich. 208 Zentimeter mißt der Athlet vom Haarschopf bis zur Sohle. Vergangene Woche karrte ihn sein Sponsor quer durch die heimatliche Republik, von Fernsehanstalt zu Fernsehanstalt. Schließlich hatte zum ersten Mal ein deutscher Basketballer die NBA-Finals erreicht. Artig beantwortete Schrempf die immer gleichen Fragen und hatte dabei auch noch Zeit für Nächstenliebe. Bei einem gemeinsamen Interview mit der deutschen Nationalmannschaft bat er die Pressevertreter, doch zuerst die Kollegen zu löchern, „damit die großen Jungs nicht so lange auf den unbequemen Stühlen sitzen müssen“. Det ist eigentlich der ideale Schwiegersohn. Oder, wie ihn ein Journalist betitelte, der brave Burschi mit dem Bürstenschnitt.

Vor 17 Jahren entschwand Detlef Schrempf aus Leverkusen in Richtung USA. Seitdem verschaffen ihm meist nur allerlei Sponsorverpflichtungen jährliche Abstecher in die Heimat. Derzeit weilt Schrempf mit einer Horde Jugendlicher in der Sportschule Oberhaching. Gemeinsam mit zahlreichen Helfern versucht er eine Woche lang, die jungen Talente mit den Geheimnissen des Weltklasse- Basketball zu füttern. Selbst vorturnen darf Schrempf allerdings nicht, sein NBA-Vertrag verbietet ihm Leibesübungen außerhalb der Obhut seines Klubs.

Vor drei Jahren ermöglichte ihm sein Sponsor die Einrichtung des Detlef-Schrempf-Allstar-Basketball-Camps. Damals konnte sich vom Laien bis zum Könner noch jeder anmelden, inzwischen sind die 160 Teilnehmer sorgsam ausgewählt. Wer nicht mindestens in einer Landesauswahl spielt, hat auf dem Parkett nichts mehr zu suchen. Dafür sind jetzt College- Spieler und die Besten aus den europäischen Nachbarländern vertreten.

Klamotten gibt es vom großzügigen Sponsor. Jedes Kleidungsstück trägt den Schriftzug „Detlef Schrempf“. Wie tief der Ausrüster dabei vorgedrungen ist, läßt sich nur erahnen. Schrempf jedenfalls ist glücklich und sieht seine Idee nun endlich so verwirklicht, „wie ich es mir vorgestellt habe“. Die Körbe würden zwar ein bißchen leiden, weil die wilden Kids immer Dunks probieren würden. Dafür „ist das Essen sehr gut. Optimale Voraussetzungen also für optimale Leistung“.

Schließlich verfolgt Schrempf das hehre Ziel, dem deutschen Basketball an die europäische Spitze zurückzuhelfen. Doch ohne die richtige Einstellung der Jugendlichen scheint jenes Unterfangen recht aussichtslos. „Wir haben mit ihnen gesprochen“, sagt Schrempf, „die wissen überhaupt nicht, was sie von Basketball wollen.“ Unvorstellbar für einen, der dafür bekannt ist, den Übungsraum stets als letzter zu verlassen. „Die haben gar keine Ziele.“ Wie auch, wenn ihre Vorbilder Tausende von Kilometern entfernt dem Ball nachjagen. In einer Basketballwelt, von der die Kids hierzulande nur zu träumen wagen. Wer traut sich schon zu sagen, er werde NBA-Spieler?

Wie brach der Sport in Deutschland liegt, zeigt gerade das Beispiel Detlef Schrempf (33). Der populärste deutsche Basketballer wird wohl für immer in den USA bleiben. „Seattle ist meine Heimat“, sagt er. Und aus Europa kriegt er scheinbar nicht mehr allzuviel mit. „Wir haben hier diesmal auch Spieler aus Serbo-ääh-Kroatien, oder dieses, na eben nicht mehr Jugoslawien, sondern ...“

Daß er in Deutschland trotz allem ein großes Idol ist, findet Detlef Schrempf „natürlich toll“. Seiner Haarpracht wird er deswegen nicht jeden Tag ein neues Outfit verpassen. Dafür gibt es andere, Denis Rodman zum Beispiel. „Ich will so bleiben, wie ich bin.“ Du darfst! Wenn's sein muß, auch ein bißchen bedrohlicher.