Das Portrait: Der Unbekannte
■ Nikolai Kowaljow
„Die Figur Kowaljow ist aus mehreren Gründen sehr bequem: Einer davon ist, daß der General in der Öffentlichkeit gänzlich unbekannt ist und seine Ernennung deshalb keinerlei Anstoß erregt“, schrieb die russische Tageszeitung Moskowski Komsomolets über den neuen Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes. Vor drei Tagen ernannte der russische Präsident Boris Jelzin Nikolai Kowaljow zum Leiter des föderalen Sicherheitsdienstes (FSB).
Kowaljow wurde 1949 in Moskau geboren. 1972 beendete er sein Studium am Moskauer Institut für Elektronik und Maschinenbau. Nach zweijähriger Tätigkeit als Ingenieur wurde Kowaljow für einen Posten bei der Staatssicherheit vorgeschlagen. In der Folgezeit arbeitete sich Kowaljow auf der Karriereleiter des Sicherheitsdienstes nach oben. Unter anderem war er bei der sogenannten „fünften Verwaltung“ tätig und für ideologische Spionageabwehr und politische Fahndungen nach Dissidenten zuständig. Zwei Jahre diente er in Afghanistan.
Anfang der 90er Jahre wurde Kowaljow stellvertretender Leiter des FSB für Moskau und das Moskauer Gebiet, im Oktober 1994 dann stellvertretender Chef des FSB mit dem Schwerpunkt Gegenspionage. Als im Dezember 1994 der damalige Chef der Hauptstadtabteilung des FSB, Jewgeni Sabostjanow, abgelöst wurde, bot man Kowaljow diesen Posten an. Er lehnte ab.
Dem heute 46jährigen, der in diesem Jahr zum Generaloberst aufstieg, werden enge Verbindungen zu seinem Vorgänger Michail Barsukow nachgesagt. Barsukow soll ihn sogar selbst für dieses Amt vorgeschlagen haben. Der russische Premierminister Viktor Tschernomyrdin entschied sich ohne Zögern für Kowaljow, der im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern nicht aus der Kremlgarde des Präsidenten stammt. Auch der neue Chef für nationale Sicherheit, Alexander Lebed, gab grünes Licht, nachdem er den Ukas über die Verschärfung der Visabedingungen dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt hatte.
Kowaljow wird sich in Zukunft der Abwehr der Wirtschaftsspionage, der allgemeinen Spionageabwehr und dem Kampf gegen den Terrorismus widmen. Zum Volleyballspielen, seinem bevorzugten Hobby, dürfte da kaum noch Zeit bleiben. Barbara Oertel
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