unterm strich:
Wie viel Freiheit bleibt dem Frankfurter Suhrkamp Verlag in der Programmgestaltung? Nachdem sich in der vergangenen Woche zwei Hanseaten aus der Wirtschaft – der Medieninvestor Hans Barlach und der Investmentbanker Claus Grossner – zu 29 Prozent in die Verlagsgesellschaft eingekauft haben, äußert sich Grossner im aktuellen Spiegel: „Wir wollen das geistige Erbe dieses traditionsreichen Hauses in die neue Zeit retten“. Wollen sich die beiden Neuen also auch inhaltlich in die Verlagsangelegenheiten einmischen?
Suhrkamp-Verlegerin Ulla Berkéwicz lehnt eine Zusammenarbeit mit den Unternehmern in der Programmkonzeption kategorisch ab. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte sie: „Das ist absurd! Absolut absurd!“ Verärgert zeigte sich die Witwe Siegfried Unselds vor allem über den Verkauf der Anteile der Schweizer Kaufmannsfamilie Reinhart an die Hamburger. Nun sollen Verlagsanwälte die Rechtmäßigkeit des Verkaufs prüfen.
Dass die Schweizer Kaufmannsfamilie ihre Anteile verkaufen wollte, wusste der Verlag seit längerem. Berkéwicz berichtet in demselben Interview, dass die Suhrkamp-Stiftung selbst die Anteile kaufen wollte, aber nicht bereit war, „Fantasiepreise“ zu zahlen. Nun steht die Verlegerin vor vollendeten Tatsachen. Ihr bleibt nur die mahnende Erinnerung: „Keiner hat Mitspracherecht im Verlag.“ Die Gesellschafter, so Berkéwicz, dürfen lediglich Bilanzen einsehen.
Inhaltlich soll also doch alles beim Alten bleiben. Bisher habe es keinen Gesellschafter gegeben, der zu irgendeinem Zeitpunkt Einfluss auf das Programm genommen habe – weder Joachim Unseld, Siegfried Unselds Sohn, noch die Reinharts, so die Verlegerin Berkéwicz.
Barlach scheint sich die zukünftige Zusammenarbeit allerdings anders vorzustellen. Er denkt nach eigenen Worten an ein „konstruktives“ Engagement bei Deutschlands intellektuell wohl renommiertestem Verlag. „Für uns hat die Beteiligung eine kulturelle Dimension, die wir sehr ernst nehmen.“ Die drei streiten sich unterhaltend in den Medien. Nun ist es Zeit, sich an einen Tisch zu setzen. Dann sehen wir weiter.
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