Durchs Dröhnland
: Jede Menge Punk

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die Haare sind länger geworden mit den Jahren, und die Erinnerung an die Vergangenheit verklärt sich fröhlich. Die Neurotic Arseholes, die sich 1978 gründeten, 1983 eine recht flotte Punkplatte namens „...bis zum bitteren Ende“ aufnahmen, sich 1986 auflösten und posthum mit einer Live-Platte geehrt wurden, erklären sich nun zur „vielleicht größten Legende der gesamten Szene“.

So recht mag da niemand widersprechen, denn meistenteils hat man damals nichts vom Quartett aus dem ostwestfälischen Minden mitbekommen, und wer tatsächlich dabei war, hat gewiß zu viel getrunken, um sich zu erinnern. Damals bedienten die Arseholes zwar auch die einschlägigen Themen, schimpften auf Nazis und Rassisten, leisteten sich aber auch einen recht persönlichen Zugang und auch mal ein Liebeslied oder gaben sich sogar friedensbewegt: „Ob Kreml oder Staaten, sie pokern mit dem Krieg. Er hat schon angefangen, und beide wolln den Sieg.“

Zur Wiederveröffentlichung des Debütalbums fand man sich für ein paar wenige Auftritte in Originalbesetzung wieder zusammen. Doch dieses Revival soll kein dauerhaftes werden: Ein letztes Mal noch die alten Zeiten wiederaufleben lassen – und die anderen können was über die alten Zeiten lernen.

18.4., 21 Uhr, Tommy-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg

Nun sind in Liebe zu Elvis schon die allerunglückseligsten Dinge entstanden, darunter Erdnußbuttersandwiches und eine Menge schlechter Imitatoren. Da darf auch ruhig mal was Nettes bei rüberkommen. Der Reverend Dr. D. Wayne Love ist Hohepriester der First Presleyterian Church of Elvis The Divine (UK) und im Nebenberuf Mitglied bei Alabama 3. Die stammen zwar aus London, aber klingen amerikanischer als ein Haufen Rednecks, wären da nicht diese elektronischen Rhythmen, die sich unter dem Country und dem Blues verstecken, als hätten sie Angst, auf der Stelle gelyncht zu werden. Zwar kommt „U Dont Dans 2 Tekno Anymore“ daher wie ein selig Kirchenlied, aber der folgende „Bourgeoise Blues“ hat dafür ein paar Jungle-Beats im Clinch mit einem Gospel-Chor, der emphatisch „Temptation“ verspricht.

18.4., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Was sollte man von einer Berliner Band erwarten, die aus freien Stücken den Namen niedlich 666 trägt? Vorsichtiges Gitarrengedängel, ein Vibraphon und heterosexueller Duettgesang? Songs, die etwas jazzig klingen, unbedingt Pop sein wollen und in denen tatsächlich manchmal „dip dip dip“ gesungen wird? Deutsche Texte, die sich nicht zwischen Ironie und Peinsamkeit entscheiden können? Na, das kriegt man dann auch.

19.4., 20.30 Uhr, Privatclub, Pücklerstraße 34, Kreuzberg

Dit Terzi sind eine Abspaltung der zu Unrecht nie so richtig berühmt gewordenen Forguette Mi Note, mit deren fröhlichem französischem Comic- Pop sie allerdings nicht viel am Hütchen haben. Wesentlich sinistrer, fast bedrohlich geht es da zu, dann sehr opernhaft und manchmal sogar richtig laut.

22.4., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Es ist wahr: Die Cramps gibt es noch. Doch wen interessiert's? Für die dieses: Poison Ivy trägt immer noch Gitarre und schicke Strümpfe, Lux Interior hat keinen Bauch, und auch musikalisch ist alles beim alten. Für einen erfolgreichen Relaunch bräuchte das schon einen Tarantino. Nur für die Verliebten ist es tröstlich, daß Lux und Ivy nach 22 Jahren Cramps immer noch zusammen und glücklich dabei sind.

22.4., 21 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

Wer die Woche mit den Deutschpunklegenden Neurotic Arseholes begonnen hat, kann sie mit einem englischen Gegenstück ausklingen lassen. Red London haben ihren originalen Sänger von Anfang der 80er wieder, der wegen der Liebe die Band verließ und das nun als Fehler seines Lebens bezeichnet. Zwar machen Red London tatsächlich einen überaus flotten, nett grölenden Punk, der seine Herkunft aus dem Pubrock nicht verleugnet, aber man kann auch die Sache mit der Männerfreundschaft übertreiben. Braindance, obwohl höchstens halb so alt, haben dem Rezept nur unwesentlich mehr Tempo und Härte hinzugefügt. Auch hier ruled eigentlich der Pop im Punk.

23.4., 21 Uhr, Pfefferberg

eszella garni, eine Band aus Berlin, Darmstadt, Rotterdam, Mainz und Flörsheim (wo immer das liegen und wie immer so eine Band funktionieren mag), sind zwar kaum mehr als Diskurspop, die 492., aber so was stört natürlich gar nicht. Das kann sogar ausgesprochen nett sein. Vor allem wenn in den schon fast zu freundlichen Duetten die zwangsgereimte Ironie vorherrscht: „Man hangelt sich von Geistesblitz zu Geistesblitz / Und das, was dabei rauskommt, ist meistens nur ein Witz / Der Wille ist da / Nur der Weg macht sich rar.“

23. 4., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Therapy? die beste Punkband dieses Planeten, und noch ist nicht bekannt, daß woanders Musik gemacht wird, wie wir sie kennen. Nach zwei Jahren Pause interessieren vergangene Verdienste niemanden mehr. Und die Musik der zum Quartett angewachsenen irischen Band hat sich auch geändert, und das nicht unbedingt zum Guten. Die zugleich poppige und ultraharte Leichtigkeit findet sich nur noch selten, statt dessen bricht sich jetzt teilweise sogar so was wie zäher Hardrock Bahn.

23.4., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler