Analyse: Arbeitsteilung ade?
■ DIW-Studie: Mehr Beschäftigte wollen wieder länger ackern
Weniger arbeiten? Lieber nicht. Die Arbeitnehmer in Deutschland wollen wieder länger ackern und mehr Geld nach Hause bringen. Dies geht aus einer neuen Studie des Berliner Wirtschaftsinstituts DIW hervor. Zwischen 1993 und 1997 ist die Bereitschaft zu kürzeren Arbeitszeiten gesunken, dies ergaben die Befragungen von 6.300 Beschäftigten in West und Ost.
Ein Drittel der Männer und ein Viertel der befragten Frauen wünschen, länger zu arbeiten und entsprechend mehr zu verdienen. 1993 gehörte nur ein Viertel der Männer und ein Zehntel der Frauen zu dieser Gruppe. Heute wollen nur noch 25 Prozent der Männer (Frauen: 29 Prozent) weniger ackern, vor fünf Jahren waren dies von den Männern noch 29 Prozent (Frauen: 36 Prozent).
Ist damit die politische Idee einer Arbeitsumverteilung endgültig obsolet? Die Antwort bleibt offen. Unterm Strich sei ein „Umverteilungspotential“ an Arbeitszeit bei den Männern nicht mehr vorhanden, so die Wirtschaftsforscher. Und bei den Frauen sei dieses Potential gesunken. Viele Beschäftigte möchten jedoch nur deswegen länger arbeiten, weil die Realeinkommen gesunken sind, so die DIW-Forscher. Die Studie läßt sich daher auch gegen den Strich lesen. Erstens: Wer länger malochen will, möchte mehr Geld und nicht unbedingt mehr Arbeit. Ob er das kriegt, ist auch eine tarifpolitische Frage.
Vor allem aber ist bemerkenswert, daß immerhin noch 25 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen weniger ackern wollen, wenn man sie nur ließe. Daß diese Prozentzahlen in den vergangenen Jahren nicht stärker gesunken sind, beweist: Mit den Möglichkeiten zur individuellen Arbeitszeitverkürzung ist es noch nicht weit her.
Flächendeckend läßt sich Teilzeitarbeit sicher nicht einführen. Die DIW-Daten zeigen, daß viele Frauen im Osten Teilzeit eher als Abstieg empfinden und lieber in Vollzeit arbeiten würden. Individualisiertere Teilzeitmodelle aber wären eine Möglichkeit. Daran scheint es bisher zu mangeln, was noch ein anderes DIW-Ergebnis beweist: Laut Studie wollen von den Vätern mit Kleinkind viele jetzt wieder ihre Arbeitszeit ausdehnen, der Anteil der Väter, die weniger ackern möchten, ist dagegen gesunken. Warum? Die Frauen (eben nicht die Männer) nehmen den immer längeren Erziehungsurlaub in Anspruch. Die Männer werden damit wieder zu Alleinverdienern. Der dreijährige Erziehungsurlaub festigt die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Die Arbeitsumverteilung läuft – derzeit rückwärts. Zumindest Mütter (und Väter) mit Kleinkindern sollten ein Recht auf ihre individuelle Teilzeit haben. Barbara Dribbusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen