: Wir Randballweltmeister!
Mit ihrem Sieg gegen Polen haben die deutschen Handballer vollendet, was den Fußballern verwehrt blieb. Doch der Weltmeistertitel wird ihre Sportart nicht vom Mief der Provinzturnhallen befreien
VON DAVID DENK
Es war einmal ein „Spätsommermärchen“. Am 17. September 2006 schlug die deutsche Hockeynationalmannschaft Australien mit 4:3 und wurde, was den Fußballern rund zwei Monate zuvor verwehrt blieb – Weltmeister im eigenen Land. Während die Spieler feierten, gaben die ersten Funktionäre Spaßbremsen-Interviews: Toller Erfolg. Aber bloß nicht drauf ausruhen. Kinder an unseren Sport heranführen. Strukturen schaffen. Großes Potenzial.
Seit Sonntag ist Deutschland nun also auch Handballweltmeister. Das „Wintermärchen“ ist perfekt. Während die Spieler feierten, gaben die ersten Funktionäre Spaßbremsen-Interviews: Toller Erfolg. Aber bloß nicht drauf ausruhen. Kinder an unseren Sport heranführen. Strukturen schaffen. Großes Potenzial.
Und das Schlimmste dran: Sie glauben, was sie da sagen. Adrenalin und Schampus haben ihr Hirn vernebelt. Sie sind voll drauf. Aber keine Sorge: Der Alltag wird sie schon wieder runterholen, auf den Boden der Tatsachen, den Schwingboden miefiger Turnhallen in der deutschen Provinz.
„Handball ist Gummersbach, Fußball die Welt“, schrieb Jochen Arntz in der Berliner Zeitung. Ein Satz, in dem alles drinsteckt. Solange die FDP keinen Bundeskanzler stellt, wird Fußball DER deutsche Volkssport bleiben. Womöglich länger. Vielleicht für immer. Wer meint, daran rütteln zu können, ist ein Narr.
Das Schönste am Titelgewinn der deutschen Handballer ist, dass wir nun endlich diese unsägliche Jahreszeit-„Märchen“-Kombination (die sich nur Leute ausgedacht haben können, die Heine nie gelesen haben) auf dem Plattitüden-Friedhof beerdigen können.
Die Einfallslosigkeit der Journalisten entlarvt ihr Interesse für die Randsportarten Hockey und Handball als Heuchelei. Denn eigentlich ging es immer nur um Fußball. Darum, die Scharte der deutschen Halbfinalniederlage auszuwetzen. „Jetzt sind wir doch noch Weltmeister“, titelte Bild gestern und degradierte damit die Handballer zu Erfüllungsgehilfen des deutschen Titel-Wahns. Sie haben zu Ende gebracht, was die Torschützen Fabio Grosso und Alessandro Del Piero der deutschen Nationalelf vereitelt haben.
Jecken in Winterjacken
Dass Deutschland trotzdem Weltmeister wurde, „Weltmeister der Herzen“, zeigt, wie fixiert wir auf Erfolg sind. Bleibt der aus, basteln wir uns eine Krücke wie den Euphemismus „Weltmeister der Herzen“. Oder wir schalten ab. Wer guckt schon noch Tennis, seit Steffi Graf und Boris Becker ihre Karrieren beendet haben?!
Um Handball ging es auch den 30.000 Fähnchenschwenkern auf dem Alten Markt in Köln nur am Rande. Sie haben die Siegesfeier kurzerhand in ihr Karnevalsprogramm integriert, sich warmgeschunkelt für die heiße Phase der Session. Noch nicht mal musikalisch mussten sie sich umstellen. Den Soundtrack zum Weltmeistertitel lieferte die Kölner Stimmungskapelle „De Höhner“.
Für von zwei Kommentatoren doppelt sinnfrei zugelaberte Aufnahmen von Jecken in Winterjacken und Reagenzglasbier in sich reinschüttenden Handballnationalspielern räumte der WDR in seinem dritten Programm am Sonntagabend die Primetime frei – Fans der „Musikschau der Nationen 2006“ (fall es die gibt) hatten das Nachsehen.
Es war grotesk – und aufschlussreich. Im Interview sagte Linksaußen Dominik Klein, er trage die Bälle, weil er der Jüngste im Team sei. Es schien ihm nichts auszumachen. Dieses unprätentiöse Auftreten kommt gut an, bietet es doch eine willkommene Abwechslung vom Starkult des Profifußballs – wohlgemerkt Abwechslung. Denn ewig will man keine Normalos anfeuern. Normal ist man schließlich selber.
Rumms und Bumms
Diese Sportart sei so deutsch wie keine andere, schrieb Peter Richter neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Handball ist Rumms und Bumms, Viervierteltakt, Rammstein.“
Richter hat wohl Recht – und liefert damit gleich einen weiteren Grund, warum der Handball-Hype schnell wieder abklingen wird. Denn deutsch will niemand gerne sein. Die Staatsangehörigkeit ist schon okay, bloß anmerken sollte man sie einem nicht.
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