Gleich mal Porzellan zerschlagen

Klaus Wowereit, Bürgermeister und neuerdings auch Kultursenator von Berlin, sorgt schon für Skandal. Der Chef der Opernstiftung steigt aus

Nach nur eineinhalb Jahren Amtszeit kündigte Michael Schindhelm, der Chef der Berliner Opernstiftung, seinen Rücktritt an. Wirklich überraschend ist dieser Schritt nicht, Schindhelm hatte sich schon vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus beim nach wie vor Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit dadurch unbeliebt gemacht, dass er ihm beharrlich vorrechnete, warum sich mit dem Finanzplan des Senats niemals drei komplette Opernhäuser betreiben lassen.

Schindhelm hatte ein eigenes Konzept angekündigt, das dem Vernehmen nach einen kostensparenden „Stagione“-Betrieb bei der Deutschen Oper vorsah –wenige, vom Publikum gut angenommene Inszenierungen, die monatelang gespielt werden. Aber nach Wowereits verbalen Attacken im Wahlkampf und der Auflösung des Kulturressorts in der neuen Landesregierung, in der nun der Regierungschef persönlich für die Kulturpolitik zuständig ist, war für den Realisten Schindhelm die Grenze des Zumutbaren erreicht.

Den letzten Ausschlag gab Wowereits lautstark inszenierter Alleingang in Sachen Staatsoper. Pampig kalauerte der Wahlsieger drauflos, das Haus heiße schließlich nicht „Stadtoper“, deshalb habe der Bund gefälligst die gesamten Kosten zu übernehmen. Dass so viel Berliner Schnauze weder bei Angela Merkel noch bei Kulturstaatssekretär Neumann Begeisterung hervorrief, war vorhersehbar, die Abfuhr aus dem Kanzleramt kam umgehend – und auch Schindhelm hatte endgültig genug und kündigte: „Der neue Kultursenator hat neben den folgenschweren Äußerungen der letzten Wochen, in denen er öffentlich die Stiftung und meine Person in Frage gestellt hat, sich auch über das geschaffene Rechtsgebilde hinweggesetzt, indem er ohne jegliche Rückkopplung mit der Stiftung und ihren Organen Verhandlungen mit dem Bund wegen der Übernahme der Staatsoper Unter den Linden angekündigt hat“, zitierte die Berliner Zeitung aus seinem Kündigungsschreiben. Inzwischen ist er mit dem Stiftungsrat übereingekommen, die Kündigung zurückzuziehen und den Vertrag vorzeitig aufzulösen, was das Gleiche bedeutet. Sein Auftrag endet vorfristig am 1. April 2007 statt 2010. Schon die Tatsache, dass sich Wowereit aufführe, „als sei die Schließung oder Erhaltung der Opern allein von seinem Willen abhängig“, zeige, dass er die Stiftung offenbar für „obsolet“ halte.

Natürlich ist Wowereit jetzt alles andere als unglücklich über Schindhelms Abschied: Eine „persönliche Entscheidung“, die nun Gelegenheit gebe, „in Ruhe und Gründlichkeit die Zukunft der Berliner Opernlandschaft zu gestalten“, sagte der Regierende gestern. Sein Ziel sei es unverändert, „alle drei Opern zu erhalten“. Die Opernstiftung habe dazu „nicht ausreichend“ beigetragen.

Dumm nur, dass ausgerechnet die Staatsoper, das erfolgreichste der Häuser, auf jeden Fall geschlossen werden muss; aus baupolizeilichen Gründen. Der DDR-Nachbau des im Krieg zerstörten Originals fällt buchstäblich auseinander, Aufführungen finden schon heute nur unter Lebensgefahr für die Mitwirkenden statt. Die überfällige Sanierung wird 3 Jahre dauern.

Wo Daniel Barenboim mit seinem Spitzenorchester in der erzwungenen Spielpause Opern aufführen soll, weiß niemand. Leerstehende Industrieruinen, von denen es in der Stadt genug gibt, müssten mit noch mehr Geld als Notquartier hergerichtet werden. Billiger wäre vermutlich ein Umzug in die Deutsche Oper an der Bismarckstraße, die dafür lediglich ihr ohnehin etwas überaltertes Repertoire eindampfen müsste.

Fest steht nur, dass der Bund 50 Millionen Euro der Reparaturkosten übernehmen will, den Rest muss die mit über 60 Milliarden Euro verschuldete Stadt aufbringen: Viel zu tun für den Sozialdemokraten Wowereit, dem bisher in einem Interview mit dem Stern dazu nur einfiel, Privatleute um wohltätige Spenden zu bitten. Warum sollten sie? Ohne den unter Schindhelm gewonnenen Sachverstand der Opernstiftung sind die Chancen, dass es in drei Jahren immer noch drei Berliner Opern gibt, noch stärker gesunken. Man wird sich in der Umbauzeit des Hauses Unter den Linden schon mal daran gewöhnen müssen, dass zwei auch ganz schön sind.

NIKLAUS HABLÜTZEL