: Alles offen nach dem Schienen-Kompromiss
Bahn und Bund sollen Netzbewirtschaftung vertraglich regeln. Pro Bahn wittert darin eine Chance für Wettbewerb
BERLIN taz ■ Das deutsche Schienennetz hat bald zwei Eigentümer: den Bund und die Deutsche Bahn AG. Der Unterschied: Nach dem Kompromiss der großkoalitionären Verkehrsexperten soll dem Bund das Netz zwar juristisch gehören, die wirtschaftliche Verantwortung aber trägt die Bahn. Vorteile: Der Bund erfüllt seinen grundgesetzlichen Infrastrukturauftrag, kann aber nicht mehr Einfluss auf die Bahn nehmen, als das Aktienrecht zulässt.
Der Berliner Wirtschaftsrechtler Christian Kirchner von der Humboldt-Uni Berlin vergleicht das Prinzip mit dem elterlichen Haus, in das die Kinder ziehen sollen. Mit einem so genannten Nießbrauchsrecht ausgestattet, können die Kinder das Haus ausbauen, bei der Bank beleihen und – wie im Fall Bahn – in die Unternehmensbilanz als Vermögenswert aufnehmen. Nur verkaufen dürfen sie es nicht.
Der Wert des Bahn-Konzerns am Kapitalmarkt steigt damit. Die Kapitalgeber interessieren nicht die juristischen Eigentumsverhältnisse, sondern „mit welchen Gewinnen sie rechnen können“, sagt Christian Kirchner. Mit Netz ist die Renditeerwartung höher.
Ob damit das Ziel, mehr Wettbewerb auf die Schiene zu bringen, erreicht wird, stellen die Bahn-Konkurrenten in Frage. Arthur-Iren Martini, Geschäftsführer des Netzwerks Privatbahnen, befürchtet, dass „sich trotz aller Akrobatik nichts ändern wird“. Auf die verstärkte Regulierung durch die Netzagentur will er nicht hoffen. Die sei gut. Aber besser sei „ein echter Wettbewerb“.
Auf dem 17-Milliarden-Euro schweren Schienentransport-Markt ist die Bahn AG ein Monopolist. Es gibt zwar 300 verschiedene Anbieter. Dennoch hält die Bahn einen Marktanteil von 85 Prozent.
Für Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, ergibt sich aus dem Kompromiss „eine echte Chance für eine Regionalisierung der Infrastruktur“. Hintergrund: Bahn und Bund müssen über die Bewirtschaftung des Netzes einen Vertrag abschließen. Naumann: „Wie der aussieht, ist völlig offen.“ Er spekuliert, dass die Länder den Druck erhöhen, regionale Schienenbetreiber zuzulassen. Die böten mehr Qualität – bei geringeren Preisen. THORSTEN DENKLER