: Der Briefwechsel
Kein Thema ist Eltern wichtiger. Nirgendwo verbringen Kinder tagsüber mehr Zeit. Die Schule vermittelt Wissen und entscheidet mit über Erfolg und Misserfolg im Leben. Was denken SchülerInnen über Lehrer, Mitschüler, Lehrpläne, Reformen und Verbote? Was meinen LehrerInnen dazu? Hier erscheint in loser Folge ein Austausch zwischen SchülerInnen und LehrerInnen. Lust aufs Briefeschreiben? bildung@taz.de
Die Frage
Können nur Lehrer lehren?
An meiner Schule war eine Deutschlehrerin Dramaturgin bevor sie Lehrerin wurde. Eine andere war Journalistin. Die eine weiß über den Aufbau von Theaterstücken bestens Bescheid, die andere kann uns vermitteln, wie man Reportagen schreibt. Ein dritter Deutschlehrer war Taxifahrer. Der hatte wenigstens immer ein paar lustige Geschichten auf Lager. Alle drei können sich vor der Klasse besser durchsetzen als mancher „richtige“ Lehrer.
Ein Quereinsteiger ist nicht gleich unqualifiziert. Wozu dann die ganze Quereinsteiger-Debatte? Auf Demonstrationen für mehr Qualität an Berliner Schulen geht es immer wieder um strengere Maßnahmen für Quereinsteiger, auf vielen Schulen haben sie auch im Kollegium einen schlechten Ruf. Obwohl Lehrer in Berlin fehlen, sollen möglichst wenige offene Stellen mit Quereinsteigern besetzt werden.
Die Schule dient im Endeffekt dazu, uns auf das Berufsleben vorzubereiten. Dabei sollen uns Lehrer helfen, die zwar auf Lehramt studiert haben, aber meistens von der Schule ins Studium und dann gleich wieder zurück in die Schule gegangen sind. Lehrer, die womöglich gar nicht so genau wissen, wie ein Leben nach der Schule für uns aussieht.
Es gibt schließlich genug verkorkste Lehrkräfte, die seit Jahrzehnten steif an ihrem Lehrplan festhalten und neue Medien, die unsere Zukunft bedeuten, kaum kennen. Manchmal ist das hinderlich und bringt keine Abwechslung in den Unterricht.
Ein geschulter Lehrer mag ja pädagogisch wertvoll sein. Wertvoll sind aber auch Erfahrung, die andere Menschen mitbringen. Hat man Angst, dass es so aussieht, als könnte jeder mal eben Lehrer werden? Dass Erziehung nicht zu unterschätzen ist, weiß jeder, der mal länger auf ein Kind aufgepasst hat. Schaden tut eine zweite Berufserfahrung auf jeden Fall nicht – sie hat sogar Vorteile.
Jolinde Hüchtker (16) besucht die 11. Klasse der Freien Waldorfschule Kreuzberg
Die Antwort
Quereinsteiger – ja bitte!
Ich befürchte, dass ich mich bei meinen Kollegen jetzt sehr unbeliebt machen werde. Denn auch ich finde, dass Quereinsteiger ein Segen für Schulen sind, und zwar genau aus den genannten Gründen. Daher sollte man denjenigen, die ihre Erfahrungen in den Schuldienst einbringen wollen, keine Steine in den Weg legen.
Allerdings ist trotzdem Vorsicht geboten! Das Problem am Lehrerberuf ist nämlich seit eh und je, dass alle möglichen Menschen denken, dass das Lehrerleben allzu bequem ist. Dass dies so ist, liegt natürlich auch daran, dass Lehrer einen Großteil ihrer Arbeitszeit wirklich frei einteilen können. Diese unsichtbare Arbeitszeit könnte im Zweifelsfall auch die falschen Quereinsteiger locken.
Wir brauchen aber keine Quereinsteiger, denen es in anderen Berufen „zu anstrengend“ war und die sich auf Ferien und Wochenenden freuen. Wir brauchen erst recht keine Quereinsteiger, die denken: „Dann werde ich halt Lehrer!“ Aus diesem Grund sollten Quereinsteiger vor dem Referendariat ein längeres Schulpraktikum absolvieren, um zu testen, ob der Lehrerberuf wirklich etwas für sie ist. Wenn sie wirklich Lehrer werden wollen, wird sie das nicht stören. Quereinsteiger sind nur dann eine Bereicherung, wenn sie geradezu darauf brennen, jungen Menschen ihre (Lebens-)Erfahrungen weiterzugeben und wenn sie Lust haben, sich vor eine Schulklasse zu stellen und junge Menschen neugierig auf das zu machen, was sie nach der Schule erwartet.
Lehrern fehlen solche Erfahrungen oft. Ich selbst halte es auch deshalb für problematisch, dass Lehrer in den meisten Bundesländern verbeamtet werden und ihnen somit mit Mitte zwanzig oft jeglicher Anreiz genommen wird, andere Berufe auszuprobieren oder, wenn sie keine Lust mehr haben, auszusteigen. Solche Lehrer waren in der Tat nie etwas anderes als Schüler oder eben Lehrer. Deshalb sind motivierte Quereinsteiger so wichtig. Dass sie sich besser mit „neuen Medien“ auskennen, bezweifele ich allerdings.
Arne Ulbricht (41) unterrichtet an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen Französisch und Geschichte.