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Archiv-Artikel

„Eine festgefahrene Situation“

Zwischenbilanz in Nairobi: Hilfswerke sind von den schleppenden Verhandlungen der 189 Staaten zum Klimaschutz enttäuscht. Auch Klimaforscher Wolfgang Sterk glaubt nicht an einen Durchbruch

taz: Der 10. Tag der Klimakonferenz in Nairobi ist vorüber. Was ist aus Ihrer Sicht bisher geschehen?

Wolfgang Sterk: Ehrlich gesagt: Nicht viel. Die Europäer waren nach Nairobi mit dem Angebot gekommen, 30 Prozent ihrer Emissionen aus dem Basisjahr 1990 bis 2020 senken zu wollen. Andere Industriestaaten argumentierten aber: Ohne Einbindung der Entwicklungsländer ist das ein völlig nutzloses Ziel, was besonders expandierende Länder wie Indien oder China wirtschaftlich bevorteilt. Der Kompromiss der Industrieländer lautet jetzt „15 bis 30 Prozent“, wenn die Schwellen- und Entwicklungsländer mitmachen. Die aber verweisen auf die Wurzel des Problems: Erst wenn die Klimaverpester des reichen Nordens selbst ehrgeizig reduziert haben und dem Süden die Klimafolgeschäden ersetzten – erst dann beteiligen sie sich. Eine ziemlich festgefahrene Situation.

Heute reisen Minister aus der ganzen Welt nach Nairobi. Auch Sigmar Gabriel wird kommen. Wie groß ist die Chance, dass noch einmal Bewegung in die Konferenz kommt?

Ich fürchte, gering: Die politischen Entscheidungsträger können ja nur das beschließen, was die Diplomaten zuvor auf den Weg gebracht haben. Selbst wenn die eine Seite noch einmal mit einem überraschenden Vorstoß käme, es scheint, als gebe es nicht mal mehr die Bereitschaft, zuhören zu wollen. Nach meinem Eindruck wartet hier alles auf 2009, in der Hoffnung, nach den US-Präsidentschaftswahlen dann einen US-Präsidenten zu haben, der ins Kiotoboot einzusteigen bereit ist. Aber dieser Kurs ist tödlich.

Warum?

Würde man erst 2009 damit beginnen, über die zweite Kioto-Phase nach 2012 zu verhandeln, blieben nur zwei Jahre, um ein neues Protokoll hinzubekommen. Notwendig ist nämlich, dass alle Länder neu unterschreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das binnen zweier Jahre gelingt. Zwischen dem Erarbeiten des ersten Protokolls und seinem Inkraftreten lagen acht Jahre. Gibt es 2012 aber keinen Anschluss, ist der Kiotoprozess tot.

Fast täglich hat die Klimaforschung neue Erkenntnisse parat, nach denen die Folgen der Erderwärmung schlimmer sind als bisher angenommen. Einziger Mechanismus dagegen ist bislang das Kioto-Protokoll. Angesichts des bisherigen Verlaufs der Konferenz: Ist der Kiotomechanismus überhaupt noch zu retten?

Ich halte den Rahmen für durchaus praktikabel, wenn die Staatengemeinschaft dazu bereit wäre. Aber sie will offenbar nicht. Die Regierungsvertreter der einzelnen Staaten agieren derart selbstbezogen, dass nur partikulare Interessen, nicht aber die Sorge um das gemeinsame Klima ersichtlich werden.

Gilt das auch für die deutsche Delegation?

Eindeutig ja. Zumindest bis hierhin. Aber vielleicht ändert sich das noch: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel braucht nun endlich einen Erfolg in der Klimapolitik.