Protestauftakt weit entfernt vom Gipfel

1.000 GlobalisierungskritikerInnen zogen am Samstag gegen das G7-Finanzministertreffen durch die Essener Innenstadt. Die Veranstalter sind zufrieden, einzelne AktivistInnen enttäuscht von der zahmen Demonstration

ESSEN taz ■ Es sollte der Auftakt zum Sturm auf den G8-Gipfel in Heiligendamm werden. Herausgekommen ist eher eine Windböe. Statt der erwarteten 2.000 DemonstrantInnen kamen am Samstag nur halb so viele Menschen in die Essener Innenstadt. Anlass war der Gipfel der G7-Finanzminister, die in der ehemaligen Krupp-Residenz Villa Hügel tagten. Das erste Treffen im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft nutzten GlobalisierungskritikerInnen und Parteien, um gemeinsam mobil zu machen. Während Demo-Anmelderin Claudia Jetter von Attac mit dem Protest zufrieden war, gab es auch enttäuschte Stimmen: „Wenn das der Auftakt der Proteste gegen die G8 im Juni war, dann Gute Nacht“, so eine Aktivistin.

Unter den Augen eines bronzenen Abbildes von Alfred Krupp fand in der Einkaufszone die Auftaktkundgebung statt. Rote Helium-Luftballons der Kampagne Erlassjahr, die sich gegen Kreditgelder für Diktatoren in Entwicklungsländern wendet, nebst politisch mehr oder weniger aussagekräftigen Transparenten bildeten die Protestkulisse. Es entstand eine Konstellation aus Autonomer Antifa, Deutscher Kommunistischer Partei (DKP), Linkspartei, Attac und anderen GlobalisierungskritikerInnen aus der Region, darunter viele Jugendliche.

Die Forderungen der DemonstrantInnen an die Minister, die zu diesem Zeitpunkt in weiter Ferne wohlgelaunt für ein „Familienfoto“ posierten, stimmten dennoch weitgehend überein. „Unsere wesentliche Forderung ist eine Entschuldung der Entwicklungsländer“, sagte ein Fahnenträger der DKP. Für „mehr Entwicklungshilfe“ appellierte auch ein Vertreter der dortmunder Autonomen Antifa.

An das „Bild vom weißen, Zigarre rauchenden Mann“, der im Hinterzimmer selbstherrliche Politik macht, fühlte sich eine Sprecherin der LandesschülerInnenvertretung durch den Gipfel erinnert. „Die Entwicklungsländer sind zwar betroffen von der G7-Politik, dürfen aber bei den Debatten nicht mitreden“, kritisierte auch Detlev von Larcher, Attac-Finanzexperte – und nutzte die Gelegenheit um für eine Flugticketabgabe und die Tobin-Steuer zu werben. Nach dieser Attac-Idee müssten alle Geldwechselgeschäfte besteuert werden, um Entwicklungsprojekte zu finanzieren.

Als Heuschrecken symbolisierte Hedgefonds waren übergreifendes Feindbild der GipfelgegnerInnen. Solche hochspekulativen Investitionen „müssen verboten werden“, forderte ein Mitglied der Linkspartei. Durch die habe etwa die Firma Grohe im sauerländischen Hemer massenhaft Personal entlassen müssen. Fast 1.000 MitarbeiterInnen wurde dort nach der Übernahme durch eine US-Investorengruppe im Jahr 2005 gekündigt.

Trotz der parteiübergreifenden Forderungen nutzten einzelne Gruppen die anschließende Demonstration, um sich selbst in Szene zu setzen. Linkspartei, WASG und DKP gingen mit ihren Bannern an der Spitze, gefolgt von der Antifa. „Das war so nicht geplant“, ärgerte sich Veranstalterin Claudia Jetter später. Schließlich durfte auch kein Parteienvertreter auf der Kundgebung sprechen, um die Veranstaltung nicht zu vereinnahmen. Der größte Block der Autonomen begnügte sich während der Demo mit radikalen Parolen. Zu drastischeren Protestformen wollte niemand greifen. Schon bei der Endkundgebung schmolz die Menge auf wenige hundert DemonstrantInnen, die nach Abschluss rasch davoneilten, um die Stadt wieder Einkaufstüten und Hedgefonds zu überlassen. Die G7-Minister verabschiedeten sich derweil mit letzten Handshakes. MORITZ SCHRÖDER

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