: Geguttenbergt?!
PLAGIATE Ein Buchautor stellt Strafanzeige, weil ein Wikipedia-Artikel Teile seines Werkes enthält
Eigentlich war der Streit schon vor knapp einem halben Jahr vorbei. Anfang Oktober hatte Georg Zoche seine dreimonatige Stippvisite in der Online-Enzyklopädie Wikipedia beendet. Auf seiner Benutzerseite beklagte der Ingenieur aus München Mobbing und die Löschung seiner Arbeiten.
Doch im Zuge der medial intensiv begleiteten Diskussion um die Plagiatsaffäre des Karl-Theodor zu Guttenberg fasste Zoche jedoch neuen Kampfesmut. Er stellte eine Strafanzeige gegen fünf Wikipedia-Autoren: „Ein Artikel der Internetseite Wikipedia zitiert aus einem von mir verfassten Buch, ohne dass diese veröffentlichten Zitate dem Urheberrecht entsprechend gekennzeichnet sind.“ Oder wie er es selbst formuliert: Sein Werk sei geguttenbergt worden.
Es geht bei dem Streit um den Wikipedia-Artikel zur Rede des NS-Reichswirtschaftsministers Walther Funk mit dem Titel „Die wirtschaftliche Neuordnung Europas“. Ein Exotenthema, das bis heute kaum Leser angezieht. Für Zoche jedoch ist die Rede ein einschneidendes historisches Dokument, das er auch in seinem Buch „Welt. Macht. Geld“ behandelt. Darin beschreibt er seine Theorien zu den schädlichen Wirkungen der Weltleitwährung US-Dollar und skizziert seine Vision einer Weltleitwährung als Ausweg aus der Krise.
Bei den Wikipedianern kamen die Thesen des Autodidakten nicht gut an. Die Literatur Zoches sei für den enzyklopädischen Eintrag ungeeignet, heißt es in der Diskussion zum Artikel. Statt enzyklopädischer Texte schreibe Zoche Essays, die der Theoriefindung dienten – eine Todsünde in der Wikipedia, die sich der objektiven Information verschrieben hat. Ein Hinweis auf Zoches Buch in den Literaturnachweisen wird gelöscht, einzelne Sätze aus seiner Feder bleiben im Eintrag.
Deswegen erhob er nun Strafanzeige. Gute Chancen hat er damit freilich nicht, denn nur zwei Sätze im Artikel entsprechen weitgehend der von Zoche eingestellten Version. Ob dies die erforderliche Schöpfungshöhe für eine Urheberrechtsverletzung erfüllt, ist zweifelhaft. Zudem hatte Zoche die Nutzungsbedingungen von Wikipedia akzeptiert.
„Wer Texte in die Wikipedia einstellt, stellt sie unter eine freie Lizenz, die eine Weiterbearbeitung und Weiternutzung erlaubt“, sagt Wikipedianerin Martina Nolte, die zu den Angezeigten gehört.
Im Endeffekt heißt das: Ob Zoche die Texte aus dem eigenen Buch entnommen habe, spielt keine Rolle. Die Autoren eines Wikipedia-Artikel haben nur ein Recht darauf, in der Versionsgeschichte eines Artikels genannt zu werden. Hier wird Zoche aber nur auf Umwegen erwähnt.
Ausgerechnet die stets wachsamen Plagiatswächter bei Wikipedia hatten die ersten Versionen des Artikels gelöscht. Sie entdeckten, dass die Formulierungen aus einem Buch stammten, konnten den Autoren aber nicht eindeutig zuordnen. Die Folge: Zoches Anteile an dem Artikeltext sind deshalb nicht mehr leicht zu erkennen.
Nachdem die Strafanzeige bekannt wurde, sperrte ein Administrator Zoches Benutzerkonto. Die Begründung ist kurz und knapp: „Stellt Strafanzeigen gegen andere Benutzer, um seine Meinung durchzusetzen“. Und das ist eine weitere Todsünde für Wikipedianer. TORSTEN KLEINZ