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Aliens, Ufos und viel heiße Luft

Mit 15 Jahren schickte Hans-Werner Peiniger jeden Abend mit der Taschenlampe Signale in den Himmel

AUS LÜDENSCHEIDMIRIAM BUNJES

Heute hat noch niemand ein Ufo gemeldet. Die Telefonbox neben der Haribodose mit fliegenden Untertassen-Bonbons blinkt nicht, und auch Hans-Werner Peinigers E-mails sind heute Ufo-frei. Es gab Zeiten, da klingelte das Telefon in dem kleinen Büro der Gesellschaft zur Erforschung des Ufo-Phänomens, kurz GEP, in der Lüdenscheider Altstadt mehrmals täglich. Die Menschen am Telefon hatten seltsame Lichter gesehen, Flugkörper, die sie sich nicht erklären konnten. Manch einer sah auch Gestalten aus anderen Welten.

Diese Zeiten sind vorbei. „Der Ufoboom klingt ab“, sagt der Lüdenscheider Ufo-Forscher, es klingt weder traurig, noch begeistert. Hans-Werner Peiniger, 50 Jahre alt, tagsüber technischer Angestellter der Telekom, hat seinen Glauben an fliegende Untertassen längst verloren. Zu oft hat er hier, zwischen den überquellenden Bücherregalen seines winzigen Büros, in den letzten 30 Jahren bei der Suche nach dem unbekanntem Flugobjekt nur Banales entdeckt. Deshalb hat er gleich neben der Ufo-Fachliteratur mit Titeln wie „Engel und andere Außerirdische“ oder „Das Wunder von Roswell“ auch eingeschweißte Kaugummikugeln in Planetenform an die Wände gepinnt und an die Zimmerdecke ein aufblasbares Ufo sowie fluoreszierende Alienschädel.

Den Mann mit Schnauzbart und Streifenhemd interessieren alle Äußerungen zu Ufos. Seinen Anrufbeantworter hört er jeden Abend nach Telekom-Dienstschluss ab. „Ich denke schon, dass die Erde nicht der einzige bewohnte Planet ist“, sagt Peiniger. „Aber dass wir tatsächlich schon mal von Außerirdischen besucht wurden, bezweifle ich stark.“ Und wenn, dann seien die bestimmt nicht mit fliegenden Untertassen gekommen und hätten dabei Kornkreise in Felder gedrückt. „Kornkreise“, sagt Peiniger. Seine Stimme verliert kurz an Sachlichkeit und seine Mundwinkel verziehen sich zu Schlangenlinien – ein Stück nach oben, weil er sie lächerlich findet, und gleich danach wieder ein Stück nach unten, weil sie ihn irgendwie nerven.

Damals, mit 15, als alles anfing, wäre das anders gewesen. Jeden Abend schickte der pubertierende Hans-Werner mit seiner Taschenlampe Signale in den nächtlichen Lüdenscheider Himmel. Geantwortet hat ihm nie jemand. „Wahrscheinlich habe ich noch dafür gesorgt, dass irgendjemand kilometerweit weg dachte, dass er ein Ufo sieht“, sagt Peiniger heute. Zusammen mit einem Jugendfreund gründete er 1972 den „Ufo-Club Lüdenscheid“. Dessen Ziel war das gleiche wie das der heutigen GEP: Ufo-Sichtungen sammeln, Falschmeldungen herausfiltern und durch die echten in Kontakt mit neuen Welten kommen.

Echte Ufos hat Hans-Werner Peiniger bis heute nicht gefunden. Und wenn er über die inzwischen fast 1.000 Fälle nachdenkt, die er für die GEP bearbeitet hat, fällt ihm nur ein einziger ein, wo vielleicht, „aber nur ganz vielleicht“ etwas mehr dran war. 1997 war das, auf einer Autobahn kurz vor Frankfurt. Zwei junge Männer und zwei Frauen fuhren Richtung Innenstadt, als sie direkt vor sich, etwa in fünf Metern Höhe, ein Raumschiff in der klassischen Untertassenform schweben sahen. Wenige Minuten später verschwand es. Und obwohl das Erlebnis nur einige Augenblicke lang dauerte, stellten sie fest, dass in realer Zeit mehr als eine halbe Stunde vergangen war.

Eine abstruse Geschichte. Wie immer suchte Hans-Werner Peiniger nach einer Erklärung für das Ufo. Stellte eine Anfrage bei der Deutschen Flugsicherung, bei der Polizei. Erkundigte sich nach der Wetterlage, nach Laserinstallationen, Heißluftballon-Aktionen. Das Verfahren hat die GEP seit ihrer Gründung standardisiert. Dieses Mal ergaben die Recherchen nichts. „Und die Zeugen wirkten absolut glaubwürdig“, sagt Peiniger. „Alle vier Aussagen stimmten überein.“ Überzeugen konnten sie ihn dennoch nicht. „Unabhängige Zeugen habe ich nicht finden können“, sagt Peiniger. „Wenn das Ufo so niedrig flog, hätten es noch mehr Menschen sehen müssen.“

In knapp einem Prozent der Fälle ergeht es der GEP so wie bei der Frankfurter „Erscheinung“: Sie findet keine Erklärung. Für 70 Prozent aller Ufo-Sichtungen finden die 20 aktiven Ermittler der GEP eine eindeutige Erklärung. Meistens sind es beleuchtete Heißluftballons, oft auch die Lichter von Flugzeugen oder Hubschraubern. Bei 16 Prozent der Fälle ist die Erklärung etwas spekulativer, den Rest können die Ermittler wegen schlechter Datenlage nicht verfolgen.

Inzwischen gehen die meisten Meldungen, rund sechs pro Monat, per E-mail bei Peiniger ein. „Heutzutage hat ja fast jeder eine Digitalkamera“, sagt Peiniger. Auf den meisten Ufo-Fotos, die in Peinigers elektronischen Briefkasten landen, haben die Fotografen ihr Ufo erst entdeckt, als sie sich zu Hause ihre Fotos noch mal in Ruhe anschauten.

Peiniger fährt seinen Rechner hoch. Zwölf Fälle hat er zur Zeit in Bearbeitung, gelöst hat er sie eigentlich alle schon. Eine Straßenkreuzung in einem kleinen Dorf bei Bonn. Dazwischen schwebt, ungefähr 1,50 Meter über den Autos, etwas Ovales, das ganz eindeutig wie eine fliegende Untertasse aussieht. „Ein Superfoto“, sagt Peiniger. Und das einzige, das er nicht schon vom Schreibtisch aus einordnen konnte. Peiniger fuhr zur entsprechenden Straßenkreuzung und entdeckte eine Laterne, die an einem über die Straße gespannten Kabel baumelte. Die Straßenlaterne war in ein schwarzes Plastikoval gefasst, die Glühbirne ragte nach oben hinaus. „Auf dem Foto fehlt das Kabel, weil es an dem Tag neblig war“, sagt Peiniger.

Die anderen Fälle sind einfacher: ein Insekt, das über die Linse krabbelt, ein Vogel, der durchs Bild fliegt. Peiniger zoomt routiniert durch sein Fotoprogramm, vergrößert, verändert die Kontraste, entspiegelt. Ein Ufo entpuppt sich dabei als das gespiegelte Blitzlicht der eigenen Kamera in einem Fenster. Für die Erklärung eines anderen Falles hat Peiniger die Lichtbrechung eines Sonnenstrahls durch eine Wolke nachgezeichnet. „Die meisten Leute, die hier anrufen, sind froh über unsere Erklärung“, sagt Peiniger. „Sie wollen nur wissen, was das denn war, das sie da fotografiert oder gesehen haben, weil sie es nicht gesehen haben.“ Es gibt aber auch die Unbelehrbaren, die von Peiniger ihren Glauben bestätigt haben wollen.

„Die meisten Ufos sind aber nun mal Heißluftballons“, sagt Peiniger. Er lässt einmal im Jahr mit seinem Freund und Mitbegründer in Lüdenscheid leuchtende Heißluftballons steigen, um Zuschauern zu demonstrieren: „Sie sehen nur aus wie Ufos.“

Es sind aber nicht nur Versehen, an denen Hans-Werner Peiniger arbeitet. Eine erlogene Alien-Autopsie gab es zwar bis jetzt nur in den USA, gefälscht wird aber überall. Peinigers liebste Geschichte dazu: das Fehrenbacher Ufo von 1994. Er selbst spielt sozusagen die Hauptrolle in einer für Medien und Ufo-Forscher peinlichen Ufo-Inszenierung. Im Mittelpunkt stand mal wieder ein Foto: eine fliegende Untertasse zwischen den Zweigen eines Apfelbaums, festgehalten auf Polaroid von zwei Vierzehnjährigen aus einem Dorf in Thüringen. Einer zeigte das Bild seinem Großvater. Der ging damit zur Lokalzeitung, einen Tag später kamen die Kamerateams. Ufo-Experten errechneten für das Ufo einen Durchmesser von sieben Meter und eine Entfernung von einem Kilometer zum Fehrenbacher Apfelbaum und erklärten es für zweifelsfrei echt.

Obwohl seine Standardsuche erfolglos blieb, zweifelte Peiniger und marschierte durch die Lüdenscheider Spielzeugläden. Auf einem Wühltisch wurde er fündig: eine fliegende Untertasse, etwas größer als seine Hand, braun mit gelben Muster, „Made in China“. Peiniger warf das Ufo in die Luft, knipste ein Probebild und setzte sich ins Auto nach Thüringen. Er brauchte eine halbe Stunde mit einem der Zeugen, dann gestand dieser. Eigentlich wollte der Junge nur seinen Großvater ärgern. Als die Zeitung einen Bericht brachte und die überregionalen Journalistenteams anrückten, hatten die Teenager Angst vor einem Rückzieher. „Und so platzte auch die Fehrenbach-Blase“, sagt Peiniger. Es klingt zufrieden. „Das meiste, was in diesen Büchern auf meinem Regal steht, ist eine Anreihung solcher Blasen“, sagt Peiniger und dreht sich auf seinem Schreibtischstuhl in alle Richtungen seines Büros. „Es geht den meisten Autoren nur darum, das Weltbild ihrer Leser zu bestätigen. Von Beweisen hält niemand was.“

Peiniger liest sie trotzdem alle. Hier in der Lüdenscheider Altstadt steht die gesamte deutschsprachige Ufo-Literatur. Sogar eine polizeiliche Hausdurchsuchung hatte er schon einmal wegen seiner Bücher. Neue, bislang geheim gehaltene Dokumente über die angeblich von Hitler geplanten Raumschiffe sollten in den USA veröffentlich worden sein. „Das Buch musste ich natürlich haben“, sagt Peiniger. Er stöberte einen kleinen Verlag im Mittleren Westen auf, der sich, wie die Polizei dem erstaunten Ufo-Forscher mitteilte, vor allem auf rechtsextremes Propagandamaterial spezialisiert hatte. „Das Buch habe ich aber wiedergekriegt“, sagt Peiniger. „Es war aber auch eher verschwörungstheoretisch als informativ.“

Bei seinen Ermittlungen helfen ihm diese Bücher nicht. „Meine wichtigste Literatur sind Anzeigen von Spielzeug- und Hobbyläden“, sagt Hans-Werner Peiniger. Auch über die Trends bei Gasluftballons ist er informiert und lässt sie regelmäßig steigen. „Aus weiter Entfernung sehen sie völlig verändert aus“, sagt Peiniger. Erst vor wenigen Tagen konnte er sein Ballonwissen einsetzen. Gasbefüllt schwebte die Fernsehgestalt Bernd das Brot über der Eifel. Zwischen den Wolken mit abgespreiztem Fuß. „Der Zeuge hat sich richtig Sorgen gemacht“, erzählt Peiniger. „Wie die meisten Aliens bestand dieser aus heißer Luft.“

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