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Archiv-Artikel

Lasst euch fallen!

Darko Rundek & Cargo Orkestar machen Weltmusik ohne Authentizitätsfirlefanz. Man folge einfach den gekonnt inszenierten Geigenklängen

Darko Rundek ist Chansonier in einer Welt ohne Chansons. Traurig oder ausgelassen, aber immer perfekt

Darko Rundek macht alles falsch. Er ist ein Chansonier in einer Welt ohne Chansons. Er lässt die Geige spielen, wie man es sonst nur bei Paolo Conte hört. Er singt gern über flüchtige Begegnungen zwischen Frauen und Männern. Er lebt in Paris, und dort, betont seine Plattenfirma, nicht etwa in einem ruhigen bürgerlichen Viertel, sondern „in einem brenzligen Banlieue-Vorort“. Darko Rundek lässt sich dem Label Weltmusik zuordnen, weil die Mitglieder seiner Band „Cargo Orkestars“ aus der Schweiz, Frankreich und Bosnien stammen, während Rundek selbst gebürtiger Kroate ist. Für seine hiesigen Fans ist er auch irgendwie ein Sänger des Friedens. Das alles klingt fürchterlich.

Dabei macht Darko Rundek eigentlich alles richtig. Denn tatsächlich ist er, wie Conte, ein perfektionistischer Musiker, dessen melancholische Gebrochenheit sehr genau inszeniert und dessen Leichtigkeit ebenso eingeübt ist. Dass Rundek dennoch melancholisch oder aber ausgelassen wirkt, liegt daran, dass er es wahrscheinlich ist. Nur für die Bühne, weiß er, muss man inszenieren, damit dies kenntlich wird. Rundek ist also keiner dieser Weltmusiker, deren Weltmusik darin besteht, absichtlich mit hierzulande unbekannten Instrumenten oder besonders „authentischen“ „afrikanischen“ oder „asiatischen“ Rhythmen exotistische Bedürfnisse zu befriedigen. Die Geige, die die Geigerin, die nur Isabel heißt, spielt, changiert vielmehr zwischen Jazz und Chanson; Percussion und Bläser bringen den Takt, es jazzrockt und songt und klingt dennoch sehr gut. Denn es ist alles andere als balkanesk oder auch französisch, Einflüsse aus aller Herren Länder sind zu spüren, vor allem aber aus den USA.

Zudem gehört der bei Beginn des Bürgerkrieges von Zagreb nach Paris übergesiedelte Rundek zur Gruppe der Heimatlosen, nicht etwa weil er ein bedrohter Bürgerkriegsflüchtling wäre, sondern weil er sich aus politischen Beweggründen heraus noch immer als Jugoslawe begreift. Das macht ihn, der in London, New York oder hier als Star gilt, wiederum in Kroatien eher umstritten. Vor allem stört dort, dass Rundek genauso gern in Serbien, Slowenien oder Bosnien auftritt wie in dem Staat, den er nun seine Heimat nennen müsste.

Cargo Orkestar schafft es, selbst in großen Räumen wie dem Glashaus eine angenehme Atmosphäre zu erzeugen; man bekommt einen tollen Popabend. Und wenn man Glück hat, spielt die Band sogar noch, wie vor zwei Jahren nach dem Kesselhaus-Auftritt im Mudd Club, sich und uns stundenlang um Kopf und Kragen. Dann entsteht tatsächlich eine ausgelassene Stimmung, in der selbst Paartanz nicht mehr albern wirkt.

Diejenigen, die sich einst nur mit den Fragen beschäftigten, ob Isabel vielleicht eine queere Person oder ob Rundek jetzt tatsächlich betrunken ist, wehrten sich nur verzweifelt und dumm gegen den Sog der Musik. Wenn die Band heute Abend das neuste Album „Mhm A-ha Oh yeah Da-Da“ vorstellt, sollten sie sich fallen lassen. JÖRG SUNDERMEIER

Darko Rundek & Cargo Orkestar & DJ Robert Soko, heute, Glashaus, 21 Uhr